Allmendegüter
Allmendegüter

Kommentar für die Lehrperson

Allmendegüter

Übersicht

Thema und Inhalt

Thema dieses Moduls ist die Übernutzung frei zugänglicher Ressourcen. Die Lernenden erleben und erkennen die dabei herrschenden Anreize unmittelbar durch eigenes Handeln in einem Spiel. Sie thematisieren mögliche Lösungsansätze sowie die Schwierigkeiten bei deren Umsetzung, und sie erproben die Wirkung von Sanktionen und Konferenzen. Das Modul vermittelt Konzepte wie wirtschaftliche Güterarten, Allmendedilemma, externe Effekte, Knappheit der Ressourcen, Rolle des Staates und soziale Normen. Ein Bezug zu Umweltthemen wie CO2-Emissionen und Klimawandel oder Nachhaltigkeit ist naheliegend.

Didaktisches Format

Das Gruppenspiel «Fischteich» wird im Plenum gespielt. Die didaktische Verarbeitung erfolgt mit den dazugehörigen Aufgabensets und kann je nach Anspruchsniveau differenziert werden. Es wird ein Beamer benötigt.

Das Spiel kann sowohl analog (per Hand) als auch digital durchgeführt werden. Für die analoge Version können Masken zum Spiel bestellt werden. Für die digitale Version empfehlen wir als Umfragetool Pingo, ein Video-Tutorial dazu steht bereit.

Dauer

Je nach Vertiefung zwei bis vier Lektionen.

Geeignete Fächer

Allgemeinbildender Unterricht (ABU), Wirtschaft und Recht (GYM), Wirtschaft und Gesellschaft (KV), Ökologie, Geografie, Geschichte und Staatskunde, Soziologie und Psychologie.

Anspruchsniveau

Mittel. Das Spiel ist breit einsetzbar. In der Auswertung kann das Anspruchsniveau fast beliebig erhöht werden.

Kompetenzorientierte Lernziele

Die Lernenden können …
… Eigenschaften von Allmendegütern im Vergleich zu anderen wirtschaftlichen Güterarten verstehen.
… Ursachen und Auswirkungen des Allmendedilemmas verstehen.
… Lösungsansätze zum Allmendedilemma kennen und beurteilen.
… das eigene Handeln im Rahmen eines Allmendedilemmas reflektieren (sich mit dem eigenen Handeln und seinen Motiven auseinandersetzen).
… sich mit den Verhaltensweisen der Mitlernenden im Rahmen eines Allmendedilemmas konstruktiv auseinandersetzen.
Ethisch-reflexive Kompetenzen

Ethisch-reflexive Kompetenz meint, ethische Grundlagen wirtschaftlicher Sachverhalte zu reflektieren und daraus Schlüsse für das eigene Handeln zu ziehen. Im Rahmen des Moduls müssen die Lernenden ein für sich angemessenes Verhalten im wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Sinne bestimmen. Das Modul eignet sich daher optimal, ethisch-reflexive Kompetenzen der Lernenden zu fördern, da Allmendedilemmas zu Diskussionen über Gerechtigkeit, Werte und Normen führen

Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie im Grundlagentext «Ethisch-reflexive Kompetenzen».

Mit diesem Modul können zudem folgende überfachliche Kompetenzen (nach 4K) geschult werden:

Kritisches Denken und Problemlösen
  • Anwendung von vernetztem Denken
  • Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Perspektiven (Multiperspektivität)
  • Erarbeitung von konventionellen und innovativen Lösungsvorschlägen

Folgende Aktivitäten fördern diese Kompetenz:

  • Im Aufgabenset: Auftrag zur konstanten Aufrechterhaltung des Fischbestands (Auftrag 2a), Auftrag zu eigenem Verhalten bei einer weiteren Spieldurchführung (Auftrag 3f); Transferauftrag zu bedrohten Tierarten (Auftrag 5); Transferauftrag zu verschmutzten Treppenhäusern (Auftrag 6)
Kommunikation
  • Informationen rasch und sicher analysieren und verarbeiten und nach deren Qualität und Vertrauenswürdigkeit beurteilen
  • Gedanken ausdrücken und präzise artikulieren
  • Eigene Meinung vertreten und andere durch die Kraft der Sprache davon überzeugen

Folgende Aktivitäten fördern diese Kompetenz: 

  • Im Spiel: Lösungen diskutieren und Konsens finden bei den Konferenzen   
  • Im Aufgabenset: Spielauswertung in der Klasse (Teil A)
Kooperation
  • Aufgabeninhalte und Prozesse werden innerhalb der Gruppe gemeinsam diskutiert und allenfalls verbessert
  • Jede Person leistet verantwortungsbewusst und nach ihren Fähigkeiten einen Beitrag

Folgende Aktivitäten fördern diese Kompetenz:

  • Im Spiel: Lösungen diskutieren und Konsens finden bei den Konferenzen   
Kreativität und Innovation
  • Auf Prozesse einlassen, deren (Teil-)Ziele unbekannt und Auswirkungen nur schwer prognostizierbar sind
  • Vorschläge systematisch ausarbeiten und auf deren Machbarkeit überprüfen

Folgende Aktivitäten fördern diese Kompetenz:

  • Im Spiel: Erarbeitung einer Spielstrategie: Anzahl Fische pro Runde 
  • Im Aufgabenset: Erarbeitung eines Lösungsvorschlages für verschmutzte Treppenhäuser (Auftrag 6c)

Hinweise zum Modul

Zum ökonomischen Hintergrund

Im Modul «Allmendegüter» treffen die Lernenden in der Rolle von Fischern Entscheidungen darüber, wie viel sie aus einem Fischteich fischen wollen. Das erklärte Ziel ist es, am Ende möglichst viele Fische zu fangen. Die Auswertung der Spielrunden zeigt den Lernenden auf, wie sich das individuelle Handeln letztlich auf den Fischbestand auswirkt, und führt zu Diskussionen über die Angemessenheit des Verhaltens der Einzelnen im wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Sinne.

Die Lernenden sind unmittelbar mit ihrem und dem Verhalten ihrer Mitlernenden konfrontiert, das sie mit den Spieloptionen «Strafe» und «Konferenz» zu beeinflussen suchen. In diesem Rahmen können sie sich personale Kompetenzen (Auseinandersetzung mit eigenem Handeln und seinen Motiven) sowie soziale Kompetenzen (die gegenseitige Auseinandersetzung mit den Verhaltensweisen der Mitlernenden) aneignen. Das führt schnell zu Fragen wie: «Ist es in Ordnung, sich so zu verhalten?», «Ist das moralisch verwerflich?», «Warum ist ein bestimmtes Verhalten gesetzlich verboten?» oder «Wer hat mit seinem Verhalten letztlich recht?». Dies bildet potenziell die Grundlage für eine Auseinandersetzung im Unterricht über gesellschaftliche Normen (z. B. Gesetze), ethische Prinzipien oder individuelle Werthaltungen.

Allmendeproblematik

Ein Allmendegut ist ein Gut, von dessen Nutzung niemand ausgeschlossen werden kann, um das aber eine Rivalität zwischen den Nutzenden herrscht. Dies führt tendenziell zur Über(be)nutzung, wie z. B. bei Fischbeständen in öffentlichen Gewässern. Für Einzelheiten vgl. den Fachtext zum Modul.

Allmenden können funktionieren

Allmendegüter werden in vielen Fällen angemessener und nachhaltiger bewirtschaftet als private oder staatlich kontrollierte Güter. Dies zeigte die Forschung der renommierten Umweltökonomin und ersten Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom (1933 bis 2012).
Prominente Beispiele sind Alpweiden wie der Urnerboden. Dabei handelt es sich um Ressourcen im Besitz einer lokalen Gemeinschaft (im konkreten Fall: der Korporation Uri), die nach gemeinsam vereinbarten Regeln durch die Besitzer selbst bewirtschaftet werden.

Zum Spiel «Fischteich»

Das Gruppenspiel «Fischteich» bietet einen intensiven emotionalen Zugang und eine gemeinsame Erfahrungsbasis zum Thema Allmendegüter. Das Allmendegut wird in diesem Spiel repräsentiert durch einen Fischteich. Aus diesem entnehmen die Lernenden in mehreren Runden anonym Fische mit dem Ziel, möglichst viele Fische (= Punkte) herauszuholen. Sie können pro Runde bis zu drei Fische entnehmen. Wenn die Lernenden im Durchschnitt in jeder Runde höchstens zwei Fische entnehmen, kann sich der Fischbestand zwischen den Runden nachhaltig erholen.
Somit könnte grundsätzlich beliebig lange weitergefischt werden. Individuell besteht aber ein Anreiz, drei Fische zu entnehmen. Deshalb kommt es meist zu einer Übernutzung oder sogar zu einem Kollaps des Fischbestands, bei dem alle schlechter dastehen. Die Gegensätzlichkeit zwischen dem Streben nach persönlichem Vorteil und dem für die Gemeinschaft optimalen Verhalten wird für alle Teilnehmenden direkt erlebbar und leicht nachvollziehbar. Das Beispiel veranschaulicht das typische Allmendedilemma.
Die Lehrperson leitet das Spiel an einem Computer mit angeschlossenem Beamer. Zur Sicherstellung anonymer Entscheide wird das Aufsetzen einfacher Masken empfohlen. Diese können unter www.iconomix.ch/bestellung bestellt werden. Die Spielregeln und der konkrete Ablauf sind in der separaten Spielanleitung beschrieben.

Das Spiel wird durch zwei interessante Optionen angereichert:

  • Erstens kann die Lehrperson während des Spiels die Möglichkeit von Strafen einführen. In diesem Fall werden alle, die drei Fische entnehmen, mit einem Punkteabzug bestraft, wenn sich genügend Spielende an einer Strafaktion beteiligen und dafür einen Punkt opfern. Dies bremst den Verfall der Ressource, kann diesen aber meist nicht ganz verhindern.
  • Zweitens kann die Lehrperson eine Klassenkonferenz einberufen. Die Lernenden können während drei Minuten diskutieren und Verhaltensregeln beschliessen. Nach einer Konferenz kann der Fischteich evtl. die gesamte Spieldauer überleben. Der Ausgang ist aber offen, da sich – genau wie in der Realität – kaum alle Teilnehmenden an die Beschlüsse halten.

Idealerweise wird der «Fischteich» zuerst ohne diese Zusatzoptionen gespielt (Auswertung Spielleitung, Excel-Register «ohne Strafen»), was meistens nur wenige Runden dauert. Anschliessend kann man ein zweites Spiel mit Strafoption (Auswertung Spielleitung, Excel-Register «mit Strafen») beginnen und – wenn der Fischbestand erneut abnimmt – noch eine Konferenz einführen. Bei dieser Variante erleben die Lernenden sowohl einen Zerfall (im ersten Spiel) als auch die Wirkung von Sanktionen und von einer Konferenz (im zweiten Spiel). Alternativ kann man als Kurzvariante nur ein Spiel durchführen und die Strafen während des Spiels einführen (wenn Fischbestand zwei Drittel des Anfangsbestands erreicht hat, Auswertung Spielleitung, Excel-Register «Kurzvariante»). Zusätzlich kann später eine Konferenz einberufen werden. In diesem Fall muss das Spiel nicht zweimal durchgeführt werden, hingegen kann der Verlauf mit und ohne Optionen weniger gut verglichen werden.

Weitere Hinweise für die Durchführung:

  • Manche Lehrpersonen tun sich schwer mit der Zielsetzung des Spiels. Dieses Ziel (viele Fische fangen) ist aber klar zu trennen vom Lernziel (das Allmendedilemma verstehen). Das Spiel macht ein Problem erlebbar, das in der realen Welt verbreitet auftritt. Deshalb wird davon abgeraten, das Überleben des Fischteichs als Ziel vorzugeben. Dies wäre zweifellos eine sympathischere Vorgabe, würde aber zu einem langweiligen, emotionslosen Spiel führen, das weder den Lernprozess stimuliert noch den Beobachtungen in der Realität (z. B. Überfischung der Weltmeere) entspricht. Eine Diskussion über ethische Aspekte ist wichtig, wird aber erst nach dem Spiel empfohlen.
  • Um die Anreize realistisch zu setzen, kann man allen Lernenden ab der Note 5 (vgl. Notenskala) einen kleinen und ab der Note 5,5 einen grossen Preis in Aussicht stellen. Den kleinen Preis könnten alle Spielenden erreichen, wenn sich alle nachhaltig verhalten und immer zwei Fische entnehmen. In der Praxis ist dies – u. a. mangels Absprachemöglichkeit – schwierig zu erreichen. Der grosse Preis ist ohnehin kaum erreichbar, sofern er begehrt ist. Das Streben danach führt aber dazu, dass auch niemand den kleinen Preis erreicht.
  • Die Regeln sollten sehr präzise – am besten mithilfe der Folien – eingeführt werden. So geht es beispielsweise darum, «möglichst viele Fische» zu fangen – und nicht «am meisten Fische». Dieser feine Unterschied ist zentral. Denn das Ziel, möglichst viele Fische zu fangen, wird bei einem raschen Kollaps von allen verfehlt. Auch die Spielenden mit den meisten Fischen erhalten in diesem Fall eine ungenügende Bewertung.
  • Falls die Lehrperson der Klasse eine Konferenz zutraut, wird diese Option besonders empfohlen. Eine Konferenz ist dann am spannendsten, wenn die Lage kritisch, aber noch nicht aussichtslos ist.

Mögliches Unterrichtsszenario

Die Materialien sind für einen handlungs- und problemorientierten Unterricht konzipiert (vgl. dazu www.iconomix.ch/didaktik). Die angestrebten Handlungskompetenzen können über folgende drei Schritte entwickelt werden:

Phase 1: Sich einlassen

Die Lehrperson führt unmittelbar – ohne vorgängige Erklärungen zu Allmendegütern – in die Spielregeln des Spiels «Fischteich» ein und führt das Spiel in einem (Kurzvariante) oder in zwei Anläufen (Strafen und Konferenz erst bei der zweiten Runde einführen) mit der Klasse durch. Das Spiel schafft Betroffenheit, eine gemeinsame Erfahrungsbasis und wirft zahlreiche Fragen zum Thema auf. Es ist dabei wesentlich, dass die Lernenden die Problemstellung genau verstehen und als herausfordernd beurteilen. Nur so ist es möglich, dass sie sich für die nachfolgende Phase der Problembearbeitung klare Ziele setzen.

Phase 2: Sich austauschen und reflektieren

In der Reflexionsphase geht es zuerst darum, die Erlebnisse aus der Spielphase explizit zu machen und zu benennen. Mithilfe von Teil A des Aufgabensets (Aufgaben zum Spiel) lassen sich die im Spiel erlebten Eigenschaften und Folgen der Allmendesysteme herausarbeiten:

  • Die Erfahrungen aus dem Spiel werden ausgewertet; dabei werden allgemeine Beobachtungen zum Ausgang des Spiels und Emotionen während des Spiels festgehalten.
  • Der Fischbestand und dessen Entwicklung werden thematisiert.
  • Das Verhalten der Fischer wird diskutiert.

Die Lösungshinweise zum Aufgabenset sind bewusst ausführlich gehalten und dienen als Hilfestellung für die Lehrperson. Anschliessend bietet sich als Theorieinput das Studium des Fachtexts im Unterricht oder als Hausaufgabe an. Alternativ kann die Lehrperson die wichtigsten Punkte aus dem Fachtext vortragen. Der Text enthält Wissensaspekte und Fachbegriffe zum Thema, und die Zusammenfassung umreisst das «Kernwissen» in kompakter Form.

Phase 3: Üben und anwenden

Diese Phase dient der Konsolidierung (Festigen der erworbenen Kompetenzen durch Üben) und dem Transfer (Erweiterung und Flexibilisierung der Kompetenzen, indem Problemstellungen mit erweitertem Anspruchsniveau bewältigt werden). Dazu stehen die Transferaufgaben in Teil B des Aufgabensets (Weiterführende Aufgaben) zur Verfügung.

Möglicher Ablauf im Überblick

  Schritte Beschrieb Medien/Unterlagen Zeit
Phase 1
Sich einlassen

25–45 Min.
Einstieg Einführung in das Spiel «Fischteich» Foliensatz (Spielregeln, Spielverlauf, Notenskala);
Auswertungsblatt Teilnehmende; 
Computer und Beamer
5–10 Min.
Spiel Spiel durchführen (evtl. einmal ohne, einmal mit Strafe und Konferenz) Masken;
Auswertung Spielleitung (oder Folie Spielverlauf); 
Auswertungsblatt Teilnehmende;
Computer und Beamer
15–30 Min.
Resultaterfassung Spielergebnisse festhalten, evtl. Preise verteilen Auswertung Spielleitung (oder Folien «Einführung Fischteich», Notenskala);
Computer und Beamer;
Preise
5 Min.
Phase 2
Sich austauschen und reflektieren

40–65 Min.
Inhaltliche Auswertung und Reflexion Auswertung des Spiels anhand der Aufgaben 1–3 des Aufgabensets Foliensatz (Folie 7);
Aufgabenset 1 (Teil A: Aufgaben zum Spiel);
Lösungshinweise
30–45 Min.
Theorieinput Studium des Fachtexts (evtl. Hausaufgabe) oder Lehrervortrag Fachtext 10–20 Min.
Phase 3
Üben und anwenden

30–45 Min.
 
Transferaufgaben Transferaufgaben in Partner- oder Gruppenarbeit lösen Aufgabenset (Teil B: Weiterführende Aufgaben); 
Lösungshinweise
30–45 Min.