Als die ersten Europäer vor über 500 Jahren Neufundland erreichten, stiessen sie vor der kanadischen Küste auf unvorstellbar reiche Fischgründe. Insbesondere trafen sie ein Kabeljau-Paradies an. Angeblich konnte man die Fische gleich mit geflochtenen Körben aus dem Wasser holen. Dies lockte die Fischer in Scharen an, zuerst aus Europa, später aus Kanada. In Neufundland entstand eine bedeutende Kabeljau-Industrie. Die jährliche Kabeljau-Fangmenge stieg stetig bis auf 300 000 Tonnen an, bis sie ab 1950 dank modernen Fabrikschiffen regelrecht explodierte. 1968 wurde mit 800 000 Tonnen der Höhepunkt erreicht. Doch dann ging es rasch bergab. 1992 kam es zum völligen Kollaps – die Bestände waren praktisch ausgefischt. Die kanadische Regierung verhängte ein absolutes Fangverbot. Rund 30 000 Beschäftigte in der Fischerei verloren ihren Job. Ob sich die Kabeljaubestände wieder erholen werden, ist bis heute unklar. Zurück bleiben somit nur Verlierer: Fische und Fischer.
Warum wurde dies möglich? Die Überfischung des Kabeljaus ist ein extremes Beispiel für das sogenannte «Allmendedilemma», auch «Tragik der Allmende» genannt. Denn Fische in öffentlichen Gewässern sind im ökonomischen Sinne ein «Allmendegut». Solche Güter weisen zwei Eigenschaften auf: Einerseits sind sie für alle Personen frei zugänglich und nutzbar. Es wird niemand vom Konsum ausgeschlossen. Andererseits gibt es bei einem Allmende gut eine Rivalität im Konsum. Je mehr sich eine Person bedient, desto weniger bleibt für die andern übrig. Diese Ausgangslage führt nun zu einem Dilemma: Aus Sicht der Nutzungsgemeinschaft wäre es wünschenswert, dass sich alle nur zurückhaltend am Gut bedienen. Aus individueller Sicht lohnt es sich aber, möglichst viel zu konsumieren. Und niemand kann daran gehindert werden. Deshalb werden Allmendegüter aus Sicht der Gemeinschaft oft übernutzt. Sogar wenn alle diese Gefahr erkennen, ist das Problem noch nicht gelöst. Womöglich denkt jeder, dass die andern weiter konsumieren. Somit kommt es ohnehin zur Übernutzung, und diese Folgen tragen alle. Aber wer weiter konsumiert, kann wenigstens seinen eigenen Nutzen noch etwas steigern.
Weitere Beispiele für Allmendegüter sind Trinkwasser, Wälder, öffentliche Verkehrswege, Waschküchen in Miethäusern oder gemeinsam genutzte Jugendräume. Aber ist ein Allmendedilemma wirklich unvermeidlich? Nicht unbedingt. Dies zeigt sich, wenn man der Herkunft des Begriffs «Allmende» nachgeht. Allmenden sind Gemeinschaftsweiden, auf welche alle ansässigen Bauern ihr Vieh senden können. Auch hier droht also das Dilemma: Jeder Bauer will möglichst viele Kühe auf die Weide senden. Denn die Mehreinnahmen in Form von Milch und Fleisch fliessen direkt ihm zu, aber die Kosten einer abgegrasten oder ruinierten Weide tragen alle Bauern. Man muss also befürchten, dass die Weide übernutzt wird. Erfolgreiche Beispiele in den Alpen und anderswo in der Welt haben jedoch gezeigt: Unter bestimmten Voraussetzungen können Gemeinschaftsweiden ohne Übernutzung verwaltet werden. Für diese Erkenntnis erhielt die amerikanische Wissenschaftlerin Elinore Ostrom 2009 den Wirtschaftsnobelpreis. Einige der Voraussetzungen für eine nachhaltige Nutzung sind:
In grossen, anonymen Gesellschaften – und erst recht auf globaler Ebene – sind diese Voraussetzungen aber nicht erfüllt. Deshalb sind die Überfischung der Meere und die globale Klimaerwärmung zwei besonders akute Allmendeprobleme.
Von Allmendegütern zu unterscheiden sind «öffentliche Güter». Diese stehen ebenfalls allen Personen offen, aber es herrscht keine Rivalität im Konsum. Von solchen Gütern können alle Bürger gleichzeitig profitieren. Ein Beispiel ist die Landesverteidigung. Auch hier gibt es ein Problem: Aus eigennütziger Perspektive lohnt es sich nicht, für das Gut etwas zu bezahlen, weil man auch sonst profitieren kann. Deshalb ist es schwierig, ein öffentliches Gut mit freiwilligen Beiträgen zu finanzieren. Es droht eine Unterversorgung. Die meisten Alltagsgüter (Kleider, Essen usw.) sind jedoch sogenannte «private Güter». Bei diesen Gütern besteht Rivalität im Konsum, doch man kann (anders als bei Allmendegütern) vom Konsum ausgeschlossen werden. Hier sind die individuellen Eigentumsrechte klar geregelt: Nur wer einen angemessenen Preis zahlt, darf das Gut konsumieren. Dies verhindert eine systematische Übernutzung. Das Problem bei Allmendegütern liegt also im Kern darin, dass keine individuellen Eigentumsrechte definiert sind oder sich diese nicht durchsetzen lassen.
Es gibt verschiedene Ansätze zur Lösung des Allmendedilemmas:
Privatisierung: Mit der Schaffung privater Eigentumsrechte wird das Allmendegut zu einem privaten Gut. Der Eigentümer kann alle andern von der Nutzung des Gutes ausschliessen oder dafür einen angemessenen Preis verlangen. Beispiel: Viele Gemeinschaftsweiden wurden in private Grundstücke aufgeteilt. Diese wurden einzelnen Bauern zugewiesen.
Beschränkung der Nutzung: Der Staat kann eine Übernutzung mit Verboten oder Geboten verhindern. Beispiel: Fangquoten und Jagdverbote.
Einführung von Kosten/Preisen: Um eine Übernutzung zu verhindern, kann der Staat mit Lenkungsabgaben die Nutzung teurer und damit weniger attraktiv machen. Beispiel: Eine CO2-Abgabe macht es weniger attraktiv, durch eigenen CO2-Ausstoss die Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre zu beanspruchen.
Private Verhandlungslösung: Wie bereits erwähnt, ist es bei tiefen Verhandlungskosten möglich, dass man sich in einer Gruppe auf eine zurückhaltende Nutzung einigt. Erwünschte Verhaltensweisen (soziale Normen) lassen sich bei Bedarf mit Sanktionen durchsetzen. Beispiel: Wer in einer Wohngemeinschaft mit knappem Warmwasservorrat zu lange duscht, wird von den andern Mitgliedern gemobbt.
Alle Lösungsansätze haben ihre Grenzen. Bei Fischen im Ozean ist z.B. eine Privatisierung nicht denkbar. Auf internationaler Ebene gibt es zudem keine übergeordnete Institution, die Regeln durchsetzen kann. Bei unzähligen Beteiligten ist es schon schwierig, sich überhaupt auf Regeln zu einigen. Alle Lösungen sind auch mit erheblichen Kosten verbunden, nicht zuletzt für die Überwachung und die Durchsetzung von Regeln. Aus ökonomischer Sicht lohnt sich die Lösung eines Allmendeproblems somit nur, wenn die Kosten der Lösung nicht schlimmer sind als das Problem selber.
Schlagzeilen zu Allmendegütern
Ein Allmendegut im ökonomischen Sinn zeichnet sich durch zwei Systemeigenschaften aus:
Allgemein werden folgende wirtschaftliche Güterarten unterschieden:
Rivalität im Konsum | Keine Rivalität im Konsum | |
---|---|---|
Ausschliessbarkeit vom Konsum | Private Güter | Klubgüter |
Keine Ausschliessbarkeit vom Konsum | Allmendegüter | Öffentliche Güter |
Allmendegüter werden oft stärker genutzt, als es aus Sicht der Nutzungsgemeinschaft optimal wäre. Diese Übernutzung (Allmendedilemma) ist ein Beispiel für ein Marktversagen.
In begrenzten, überschaubaren Gruppen kann das Allmendedilemma durch einvernehmliche Regeln gelöst werden, unterstützt durch soziale Normen und Sanktionen. Alternative Lösungsansätze sind Privatisierungen (Schaffung privater Eigentumsrechte) oder staatliche Eingriffe durch Verbote, Gebote oder Lenkungsabgaben. Ein besonderes Problem auf internationaler Ebene ist, dass eine übergeordnete Instanz fehlt, welche Regeln durchsetzen kann.