Soziale Sicherheit im Unterricht: Drei Fragen an Martin Lengwiler

Drei Fragen an Martin Lengwiler

Finanzielle Absicherung bei Unfall, Krankheit oder Alter ist heutzutage ein wichtiger Pfeiler der Schweizer Sozialpolitik. Das war nicht immer so.

Die Webplattform «Lab. Geschichte der sozialen Sicherheit in der Schweiz» gibt Einblicke in die historische Entwicklung des Sozialstaats Schweiz und bietet didaktisierte Materialien für die gymnasiale Stufe kostenlos an.

Auf der Webplattform «Lab.» stehen Forschungsaufträge für den Unterricht zu allen grossen sozialen Risiken zur Verfügung: Armut, Arbeitslosigkeit, Alter, Krankheit und Unfall. Zu jedem Forschungsauftrag gibt es passende historische Quellen (Fotos, Expertenvideos, Statistiken, Zeitleisten usw.) sowie didaktische Hinweise für die Lehrperson.

«Lab.» ist mit dem Partner-Modul «Geschichte der Altersvorsorge» auch auf Iconomix vertreten. Das Modul umfasst vier Forschungsaufträge, die zur vertieften Auseinandersetzung mit dem Thema einladen. Es eignet sich für gymnasiale Klassen mit Schwerpunkt «Wirtschaft und Recht», kann aber auch an Berufsmaturitätsschulen eingesetzt werden.

Wir haben den Leiter des Projekts, Martin Lengwiler, zu den Beweggründen hinter «Lab.» befragt.

Zum Hintergrund von «Lab.»


Die Plattform «Lab. Geschichte der sozialen Sicherheit in der Schweiz» ist eine Koproduktion der Universitäten Basel und Zürich sowie der Haute école de travail social et de la santé Lausanne HETSL (HES-SO) und entstand im Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV).

Das BSV finanziert auch den langfristigen Betrieb der Plattform.
 

Iconomix: Was waren die Beweggründe für die Schaffung der Plattform «Lab.»? 

Martin Lengwiler:  Der Sozialstaat, überhaupt sozialpolitische Themen, werden im Schulunterricht auf Maturastufe oft nur stiefmütterlich behandelt. In Politik und Gesellschaft sind diese Fragen allerdings hochaktuell. Sie machen regelmässig Schlagzeilen.

Wir stimmen ab über die AHV, das Grundeinkommen oder den Vaterschaftsurlaub. Viele Schüler:innen üben später einen sozialen Beruf aus, etwa im Gesundheitswesen. Trotzdem hat es der Sozialstaat als Unterrichtsgegenstand schwer. Dies wollen wir mit unserem Angebot ändern.

Warum ist es wichtig, die Altersvorsorge aus einer historischen Perspektive heraus zu betrachten?

Die AHV ist die populärste Sozialversicherung der Schweiz. Die Altersvorsorge eignet sich deshalb gut, um den Sozialstaat im Unterricht zu vermitteln. Wie viele andere Sozialversicherungen ist die Altersvorsorge allerdings ein komplizierter Gegenstand. Den Schüler:innen das Drei-Säulen-Modell zu erklären, ist eine didaktische Herausforderung.

Hier kommt der historische Zugang ins Spiel. Ein Blick in die Geschichte der Altersvorsorge hilft zu verstehen, weshalb sie heute in drei Säulen organisiert ist. Zudem ist der historische Ansatz didaktisch attraktiv. Die Geschichte ist voll von anschaulichen Quellen zu gestaltenden Personen und Schlüsselereignissen.

Was ist aus didaktisch-methodischer Sicht die Stärke von Forschungsaufträgen?

Wir wollen den Schüler:innen nicht nur das Sozialstaatsthema vermitteln. Sie sollen auch lernen, sich forschend neues Wissen anzueignen. Die Forschungsaufträge sind so formuliert, dass die Schüler:innen lernen, wie in der Wissenschaft zu arbeiten. Sie untersuchen historische Quellen – Textdokumente, aber auch alte Bilder oder Filme – und beantworten anhand dieses Materials Fragen zur schweizerischen Altersvorsorge und ihrer Geschichte.

Die Schüler:innen können dies einzeln oder in Kleingruppen tun und die Erkenntnisse dann in der Klasse zusammentragen. Mit den Forschungsaufträgen und zusätzlichen didaktischen Hinweisen geben wir den Lehrpersonen pfannenfertige Zutaten für einen attraktiven Unterricht.

Martin Lengwiler

Quelle: zVg. durch Martin Lengwiler

Martin Lengwiler ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität Basel. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Geschichte des Sozialstaats, der modernen Wissenschaftsgeschichte sowie in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Er ist Leiter des Projekts «Lab.».

Beitrag von:
Iconomix-Team
erstellt am 02.02.2024