Was bisher geschah: Obwohl Manuel Alkohol getrunken hat, fährt er mit seinem Freund David nach einer Party mit dem Auto nach Hause. Manuel sieht ein einbiegendes Auto viel zu spät und es kommt zu einer Kollision. Beide Autos erleiden Totalschaden. Manuel und der andere Fahrer kommen mit ein paar Kratzern davon. Doch David wird dabei schwer verletzt. Er verbringt mehrere Wochen im Spital und fällt deshalb bei der Arbeit aus. Zum Zeitpunkt des Unfalls hatte Manuel 0,85 Promille Alkohol im Blut.
Die Beteiligten eines Unfalls können in der Folge an langfristigen psychischen Störungen leiden. Ein Unfall kann Traumata auslösen und Beziehungen gefährden. Manuel und Davids Freundschaft wird auf die Probe gestellt. Manuel kämpft mit Schuldgefühlen und ist verzweifelt. Die Erschütterung und Trauer durch einen schweren Unfall trifft meist das ganze Umfeld und hinterlässt lebenslang Spuren.
Unfälle bringen oft schwere Verletzungen, Operationen und langwierige Heilungsprozesse mit sich. David musste einige Wochen im Spital behandelt werden. Er leidet seit dem Unfall zudem an Panikattacken. Je nach Schwere des Unfalls können Betroffene ihren Beruf und ihren Alltag nicht mehr selbstständig bestreiten und sind von einem helfenden Umfeld abhängig. Im schlimmsten Fall kann ein schwerer Unfall auch tödlich enden.
Nach einem Unfall stellen sich aus rechtlicher Sicht drei Fragen: Wer ist schuld? Wie gross ist der Schaden? Wer haftet ganz oder teilweise?
Manuels Unfall wird nach öffentlichem Recht und Zivilrecht beurteilt. Das öffentliche Recht beschreibt das Verhältnis zwischen Staat und Bürger/in, das Zivilrecht das Verhältnis zwischen Bürger/in und Bürger/in.
Manuel wird mit dem Strafrecht sowie sogenannten Administrativmassnahmen konfrontiert:
Das Strafrecht ahndet begangene Rechtsverletzungen. Die Polizei klärt das Unfallgeschehen ab und leitet den Sachverhalt der Strafverfolgungsbehörde zur Beurteilung weiter. Je nach Tatbestand droht der/dem Unfallverursachenden eine Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe (bis CHF 40 000) oder eine Busse. Denn es gilt: Wer alkoholisiert ein Motorfahrzeug führt, wird mit Gefängnis, Geldstrafe oder Busse bestraft (Art. 91 SVG).
Für Neulenkende gilt die Null-Promille-Regel (bzw. 0,1 Promille). Mit dem definitiven Führerausweis liegt die Grenze bei 0,5 Promille («Angetrunkenheit»). Ab 0,8 Promille spricht man von «qualifizierter Trunkenheit».
Das Ziel dieser Massnahmen ist stets, die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Man versteht darunter Anordnungen des Strassenverkehrsamtes, um verkehrsgefährdende Lenker/innen zu bessern und fahruntaugliche Fahrzeugführer/innen vom Verkehr fernzuhalten. Dazu gehören Verwarnungen, Führerausweisentzüge, Verpflichtungen zum Besuch eines Verkehrsunterrichts und Therapieauflagen.
Manuel besitzt den definitiven Führerausweis. Mit 0,85 Promille Alkohol im Blut hat er die Grenze überschritten. Deswegen wird er mit einer Geldstrafe bestraft und ihm wird sein Führerausweis für 6 Monate entzogen.
Im Zivilverfahren geht es um die Regelung der finanziellen Folgen eines Verkehrsunfalls, also um die Schadenersatzpflicht und die Haftung.
Die Schadenersatzpflicht kann folgende Punkte umfassen:
Als Unfallverursacher, also Schädiger, ist Manuel verpflichtet, für den entstandenen Schaden aufzukommen. In seinem Fall sind folgende Schadenselemente und deren Kosten aufgeführt:
Total Schadenssumme: CHF 155 000
Manuel glaubt, dass er keine schwerwiegenden finanziellen Folgen zu befürchten hat, weil er versichert ist. Aber stimmt das auch für einen Unfall unter Alkoholeinfluss?
Grundsätzlich übernehmen Versicherungen die finanzielle Haftung im Falle eines Unfalls. Seine Haftpflichtversicherung ist für den Schaden am fremden Auto zuständig, seine Vollkaskoversicherung für den Schaden an seinem eigenen Auto.
Haftpflichtversicherung Als Haftpflicht wird die Pflicht bezeichnet, einen selbst verursachten Schaden, der bei einer anderen Person anfällt (Personen- oder Sachschäden), ersetzen zu müssen. Wer eine Haftpflichtversicherung besitzt (freiwillig, siehe aber Ausnahme unten), muss nicht selbst dafür aufkommen. Die Versicherung ersetzt den entstandenen Schaden des anderen. Die Motorhaftpflichtversicherung ist in der Schweiz obligatorisch. Sie übernimmt Schäden, die mit dem eigenen Auto anderen zugefügt wurden. Hierzu zählen z.B. Unfallschäden bei Fahrzeugen von Drittpersonen oder das Touchieren eines Autos beim Einparken. Die Vollkaskoversicherung übernimmt die Kosten für Schäden am eigenen Fahrzeug, wenn diese durch einen selbst verschuldeten Unfall oder durch Vandalismus durch fremde Personen entstanden sind. Im Unterschied zur Motorhaftpflichtversicherung handelt es sich bei der Vollkasko um eine freiwillige Zusatzversicherung. |
Weil Manuel in angetrunkenem Zustand einen Unfall verursacht hat, hat er «grobfahrlässig» gehandelt. Was heisst das und welche Konsequenzen hat das auf die Versicherungsleistung?
Grobfahrlässigkeit Nach ständiger Rechtsprechung handelt jemand grobfahrlässig, wenn er grundlegende Vorsichtsgebote nicht beachtet, die jeder Mensch mit Verstand in der gleichen Lage und unter den gleichen Umständen befolgt hätte, um einen voraussehbaren Schaden zu vermeiden. |
Grobfahrlässiges Handeln kann im Strassenverkehr also bedeuten, dass man:
Aus dem Polizeirapport erfährt die Versicherung, dass Manuel alkoholisiert gefahren ist und so grobfahrlässig gehandelt hat. Deshalb hat sie das Recht, «Regress» geltend zu machen.
Regress Beim Regress handelt es sich um eine Rückforderung, die eine Versicherung stellen kann, wenn ein Unfall oder ein Schaden grobfahrlässig herbeigeführt wurde. Je nach Grösse des Verschuldens und unter Berücksichtigung weiterer Umstände wie etwa der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit fordert die Versicherung Geld von dem/der Unfallverursachenden zurück. |
Grundsätzlich richtet sich die Höhe des Regresses nach dem Ausmass der Schuld. Für die Berechnung gibt es keinen einheitlichen Tarif. Folgende Regressquoten werden üblicherweise in der Praxis angewendet:
Weil Manuel mit 0,85 Promille Alkohol im Blut den Unfall verursacht hat, fordert die Versicherung 15% Regress, also CHF 23 250. Zusätzlich zu den Regresskosten muss er noch die Geldstrafe abzahlen.
Manuel vereinbart mit seiner Versicherung, dass er seine Schuld in monatlichen Raten à CHF 400 abbezahlt.
Ratenzahlung Die Ratenzahlung ist eine Vereinbarung zwischen Schuldner/in und Gläubiger/in. Diese verpflichtet den/die Schuldner/in, den Betrag schrittweise über einen festgelegten Zeitraum abzubezahlen. |
Manuel muss sein Budget und seinen Lebensstandard für die nächsten 5 Jahre anpassen, bis seine Schuld beglichen ist. Die finanzielle Zusatzbelastung durch die Ratenzahlungen (Regress und Geldstrafe) erhöht das Überschuldungsrisiko von Manuel. Er hätte nie gedacht, dass dieser Abend unter Freunden solch langfristige finanzielle Folgen haben würde.
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