Hintergrundinformation

Inflation

Inflation bekämpfen – Konsequenzen hinnehmen

Die Gewährleistung der Preisstabilität gehört zu den elementaren Aufgaben einer Notenbank. Doch gerade die Bekämpfung einer übermässig hohen Inflation kann massive Kosten verursachen. Die Situation der Schweiz in den 1990er-Jahren liefert ein anschauliches Beispiel.

Stabile Preise sind eine wesentliche Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand. Doch der Marktwert für Waren und Dienstleistungen kann sich jederzeit ändern. Steigen oder fallen die Preise einzelner Produkte, hat dies nur geringe gesamtwirtschaftliche Auswirkungen. Erhöhen sich aber die Güterpreise auf breiter Front, verliert das Geld an Wert. Man spricht in diesem Fall von Inflation oder auch Teuerung.

Etablierung eines stabilen Preisniveaus

Durch einen dauerhaften Anstieg des allgemeinen Preisniveaus verringert sich die Kaufkraft des Geldes. Für gleich viel Geld kann man sich plötzlich weniger kaufen. Dieser Fall tritt insbesondere dann auf, wenn die Geldmenge schneller wächst als die gesamtwirtschaftliche Gütermenge. Dann übersteigt nämlich die Nachfrage nach Gütern das Güterangebot, was zu allgemein steigenden Preisen führt und die Teuerung anheizt.

Um die Kaufkraft des Geldes zu erhalten, verfolgt jede Notenbank das Ziel, die Preise ihres Landes möglichst stabil zu halten. Eine allzu hohe Inflation lässt sich dabei durch eine restriktive Geldpolitik bekämpfen. Vereinfacht gesagt, erhöht die Zentralbank ihren Leitzins und verringert so die Geldmenge, die sich im Umlauf befindet. Bei gleichbleibender Gütermenge steigt dadurch der Wert des Geldes und die Teuerung sinkt.

Allerdings kann ein Leitzins, der über längere Zeit angehoben wird, die Konjunktur eines Landes massiv ausbremsen. Ein historisches Beispiel aus der Schweiz soll dies veranschaulichen.

Lockere Geldpolitik der 1980er-Jahre

Im Oktober 1987 kommt es am US-amerikanischen Aktienmarkt zum grössten Börsencrash der Nachkriegszeit. Da auch die Schweiz von diesem «Schwarzen Montag» betroffen ist, flutet die Schweizerische Nationalbank (SNB) in der Folge die Märkte mit Geld, um einem Einbruch der Realwirtschaft entgegenzuwirken. Sie senkt ihren damaligen Leitzins, den Diskontsatz, binnen eines Jahres von 4% auf 2,5%, und stimuliert damit das Wirtschaftswachstum.

Die expansive Geldpolitik der Zentralbank wird begleitet von einem verstärkten Interesse am Immobilienmarkt. Zum einen sind Investoren nach dem Börseneinbruch auf der Suche nach alternativen Investitionsmöglichkeiten. Zum andern stimulieren die tiefen Zinsen zusammen mit steigenden Einkommen die Nachfrage nach Wohn- und Geschäftsliegenschaften. Die Banken lockern daraufhin ihre Kreditvergabepolitik und stellen die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung.

Hochkonjunktur und bremsende Zinserhöhung

Die beschriebenen Umstände führen ab 1987 zu einem regelrechten Boom der Schweizer Wirtschaft.

Das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (kurz BIP) beschleunigt sich Anfang der 1990er-Jahre bis auf 5,7%. Eine ungemütliche Begleiterscheinung: Die Inflation zieht in diesen Jahren ebenfalls an und läuft zunehmend aus dem Ruder. Deshalb beginnt die SNB ab 1988, schrittweise die Zinsen anzuheben. Mit dem Ziel, die Preisstabilität wiederherzustellen, verdoppelt sie den Diskontsatz innerhalb von drei Jahren auf rekordhohe 7%.

Die drastische Reaktion der Notenbank scheint zu wirken: Das verknappte Geldangebot lässt die Inflation bis Mitte der 1990er-Jahre auf unter 1% sinken. Allerdings gibt es erneut eine unangenehme Kehrseite. Die anhaltend hohen Zinsen bremsen die Konjunktur aus, das Wirtschaftswachstum bricht ein. Die Schweiz gleitet in eine Rezession, die rund 2½ Jahre andauern wird.

Immobilienkrise

Die Rezession wird durch eine Immobilienkrise Anfang der 1990er-Jahre zusätzlich verstärkt. Angetrieben von der Niedrigzinspolitik der Zentralbank, der lockeren Kreditvergabe der Banken sowie Spekulationen im Häusermarkt, hat sich bis Ende der 1980er-Jahre eine Immobilienpreisblase gebildet, die schliesslich platzt. Neben fiskalpolitischen Massnahmen leiten insbesondere die Zinserhöhungen der SNB diesen Preiszerfall ein.

Da Immobilien einen beträchtlichen Teil ihrer Kreditportfolios ausmachen, sehen sich viele Banken aufgrund der fallenden Marktpreise veranlasst, die Bedingungen zur Kreditvergabe zu verschärfen. Darunter leidet vor allem die grossenteils über Bankkredite finanzierte Baubranche. Aufgrund rückläufiger Bautätigkeit und plötzlich fehlendem Kapital kommt es dort zu Überkapazitäten und einer Welle von Insolvenzverfahren.

Angeschlagene Volkswirtschaft im Abschwung

Die Bekämpfung der Inflation durch die Nationalbank verursacht überdies eine Reihe volkswirtschaftlicher Kosten, die typischerweise mit einer Rezession daherkommen.

 

Investitionen sinken: Die restriktivere Kreditvergabepolitik der Banken und das höhere Zinsniveau machen die Geldaufnahme für Firmen teurer. Als der Diskontsatz 1991 seinen Spitzenwert erreicht, erlebt das Wachstum der Bruttoinvestitionen einen massiven Einbruch von -8,6% (gegenüber +12,7% im Vorjahr).

Konsum wird gedrosselt: Die fallenden Immobilienpreise führen zu grossen Wertverlusten für viele Liegenschaftsbesitzer, wodurch ihr Vermögen negativ beeinflusst wird. Ebenso leiden sie unter den erhöhten Hypothekarzinsen, da sie neben der Tilgung ihrer Kreditschulden weniger Einkommen zur Verfügung haben. Beides verlangsamt das Konsumwachstum der Haushalte für mehrere Jahre.

Arbeitslosigkeit steigt: 1994 steigt die Arbeitslosigkeit auf fast 5% – bis dato ein historischer Höchstwert. Hauptfaktor neben der zurückhaltenden Konsum- und Investitionstätigkeit ist eine schwächelnde Weltkonjunktur. Entsprechend ist das Exportvolumen tiefer, von dem die Schweiz aufgrund ihrer hohen Aussenorientierung abhängig ist.

Zusammenfassend gesagt, wirkt sich die restriktive Geldpolitik der Nationalbank negativ auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage aus. Diese Entwicklung spiegelt sich auch im realen BIP wider, welches erst ab Mitte 1993 erneut zu steigen beginnt.

Der Wert stabilen Geldes

Rückblickend zeigt sich, dass die rasch anziehende Teuerung ab 1989 hauptsächlich gebremst wurde, indem die SNB ihr damaliges geldpolitisches Hauptinstrument, den Diskontsatz, über längere Zeit massiv anhob. Allerdings brachte ihr dies vor dem Hintergrund der anhaltenden Rezession auch die Kritik ein, dadurch die schwächelnde Wirtschaft zu lähmen. Dieses Handeln war dennoch notwendig, um die Preisstabilität und damit die Glaubwürdigkeit der Zentralbank wiederherzustellen.

Die konsequente Bekämpfung der Inflation ist auch heute noch ein wichtiger Pfeiler der geldpolitischen Strategien von Zentralbanken weltweit. Gerade für private Haushalte kann ein instabiles Preisumfeld schwerwiegende Auswirkungen haben und Ungleichheiten verstärken.

Am meisten betroffen sind einkommensschwache Personengruppen wie Geringverdienende, Rentner oder Arbeitslose. Sie können ihr Einkommen nicht einfach an das allgemein steigende Preisniveau anpassen. Da sie tendenziell einen beträchtlichen Anteil ihres verfügbaren Geldes für Güter des täglichen Bedarfs verwenden, schlagen höhere Ausgaben für Nahrungsmittel, Wohnen oder Energie besonders schwer zu Buche.

Gleichzeitig belastet die Teuerung aber auch die Arbeitnehmenden. Ihre Gehälter werden oft durch Tarifverhandlungen oder gegenseitige Abmachungen für eine bestimmte Dauer fixiert. Steigende Preise vermindern die Kaufkraft ihres Lohnes, da dieser nur verzögert angepasst wird.

Um die wirtschaftlichen Akteure zu schützen und den Wert des Geldes über die Zeit zu erhalten, liegt das Hauptaugenmerk der Notenbanken deshalb auch weiterhin auf der Preisstabilität.