Finanzielle Grundbildung funktioniert

Mehr Eigenverantwortung bei der Altersvorsorge, immer kompliziertere Finanzprodukte, verbreiterter Zugang zu Krediten – gute Finanzkompetenz wird im heutigen Umfeld immer wichtiger. Trotz dieser Entwicklungen ist die allgemeine Finanzkompetenz in vielen Ländern eher niedrig.
Eine neue Studie zeigt, dass finanzielle Grundbildung sehr erfolgreich darin ist, das dazu notwendige Finanzwissen zu erhöhen und Finanzentscheidungen zu verbessern.

Wie steht’s mit der Finanzkompetenz?

Die allgemeine Finanzkompetenz ist in vielen Ländern überraschend tief. Viele Erwachsene haben grosse Wissenslücken, selbst hinsichtlich dem Verständnis grundlegender Konzepte wie Zinsen oder Inflation. 

Auch die Schweiz liegt im internationalen Vergleich der Industrieländer nur knapp über dem Durchschnitt: hierzulande verfügen 57% aller Erwachsenen über eine hohe Finanzkompetenz. In den nordischen Ländern wie Schweden, Dänemark oder Norwegen beträgt der Anteil hingegen 71%.1

Wieso ist Finanzkompetenz wichtig?

Tiefe Finanzkompetenz ist oft mit verschiedenen negativen Folgen verbunden. Beispielsweise sind Individuen mit tieferer Finanzkompetenz häufiger verschuldet, sie bauen viel weniger Ersparnisse für das Alter auf und bezahlen oft zu hohe Zinsen oder Gebühren auf Finanzprodukte. Sie sind zudem auch eher Opfer von Finanzbetrug.2 

Kann man Finanzkompetenz effektiv verbessern?

Hohe Finanzkompetenz hat also viele Vorteile. Nur wie kann man Finanzkompetenz sinnvoll und effektiv verbessern? Ein naheliegender Ansatz dafür ist die finanzielle Grundbildung.  

Finanzielle Grundbildung kann beispielsweise durch entsprechende Programme in Schulen gefördert werden. Ebenso können Unternehmen ihren Mitarbeitenden kostenlose persönliche Finanzberatungen anbieten. Eine weitere Möglichkeit ist das Einbinden von Elementen der finanziellen Grundbildung in populäre Fernsehshows. Alle diese Möglichkeiten (und viele mehr) wurden bereits in verschieden wissenschaftlichen Studien auf ihre Wirksamkeit überprüft. Was ist das Fazit aus all diesen Studien?   

Dieser Frage gehen Tim Kaiser, Annamaria Lusardi, Lukas Menkhoff und Carly Urban in einer sogenannten Meta-Analyse3 nach. Dazu wählen sie 76 Studien aus 33 Ländern zur finanziellen Grundbildung aus, die alle nach derselben rigorosen Methode durchgeführt wurden: sogenannte randomisierte kontrollierte Studien. 

Ihre Analyse zeigt: Im Allgemeinen funktioniert finanzielle Grundbildung sehr gut. Sowohl die Wirkung auf das Finanzwissen, wie auch die Wirkung auf Finanzentscheidungen ist statistisch signifikant und positiv, wobei die Wirkung auf das Finanzwissen grösser ist als auf Finanzentscheidungen.   

Wie funktioniert eine randomisiert kontrollierte Studie?

Randomisiert kontrollierte Studien sind der Goldstandard in der Forschung, wenn es darum geht, herauszufinden, ob eine bestimmte Intervention oder ein Medikament effektiv ist. Dazu werden die rekrutierten Teilnehmenden zufällig in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe – die Versuchsgruppe – nimmt an der Intervention teil, die andere – die Kontrollgruppe – nimmt nicht daran teil. 


Ein Beispiel: Eine zufällig ausgewählte Gruppe von Schulen führt Kurse zur finanziellen Grundbildung ein (Versuchsgruppe), während Schulen in der ebenfalls zufällig ausgewählten Kontrollgruppe keine solchen Kurse durchführen.


Nach einer gewissen Zeit werden die beiden Gruppen miteinander verglichen. Sind die festgestellten Unterschiede genügend gross – ist z.B. die Finanzkompetenz in der Versuchsgruppe deutlich höher als in der Kontrollgruppe–, dann kann man daraus den Schluss ziehen, dass die Intervention eine Wirkung hat. 
Für diese Schlussfolgerung ist entscheidend, dass die Teilnehmenden wirklich zufällig in Versuchs- und Kontrollgruppe eingeteilt wurden. Die zufällige Einteilung stellt nämlich sicher, dass sich die beiden Gruppen in allen möglichen Bereichen sehr ähnlich sind. Damit kann man ausschliessen, dass andere Faktoren die Intervention beeinflussen.

Ist finanzielle Grundbildung genauso wirksam wie Bildung in anderen Bereichen?

Um die Wirksamkeit von finanzieller Grundbildung ökonomisch einzuschätzen, vergleichen die Forschenden ausserdem die Effektgrössen aus ihrer Studie mit den Effektgrössen in anderen Bereichen. Dabei zeigt sich, dass der Effekt auf das Finanzwissen beispielsweise vergleichbar ist mit dem Effekt von Bildungsinterventionen auf das Mathematikwissen. Der Effekt auf Finanzentscheidungen ist dagegen ähnlich gross wie die Effekte von Gesundheitsinterventionen oder Interventionen zum Energiesparen.  

Wie teuer ist finanzielle Grundbildung?

Zum Schluss evaluieren die Forschenden auch die Kosten der berücksichtigten Interventionen. Damit gehen sie der Frage nach, ob es sich lohnen würde, Interventionen zur finanziellen Grundbildung im grösseren Stil durchzuführen. Wären die Kosten dafür sehr hoch, würden sich solche Interventionen trotz der positiven Effekte kaum auszahlen. Mit durchschnittlichen Kosten von etwa 60 US-Dollar pro teilnehmender Person fallen diese im Vergleich zu anderen Bildungsinterventionen aber recht tief aus. Interventionen zur finanziellen Grundbildung sind damit also nicht nur effektiv, sondern haben auch ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis.  

Fazit

Zusammenfassend kommt die vielbeachtete Studie zum Schluss, dass finanzielle Grundbildung wirksam und kostengünstig ist. Sie ist zudem genauso effektiv wie andere etablierte Interventionen, wie beispielsweise solche zum Energiesparen.  

In diesem englischsprachigen Video gibt Annamaria Lusardi einen kurzen Einblick in die Studie.

[1] Quelle: Bucher-Koenen, Tabea und Knebel, Caroline (2021), "Finanzwissen und Finanzbildung in Deutschland - Was wissen wir eigentlich?", Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung, Vol. 90 (1):11-32.

[2] Quelle: Lusardi, Annamaria und Mitchell, Olivia (2014), "The Economic Importance of Financial Literacy: Theory and Evidence", Journal of Economic Literature, Vol. 52 (1):5-44.

[3] Quelle: Kaiser, Tim, Lusardi, Annamaria, Menkhoff, Lukas und Urban, Carly (2022), "Financial education affects financial knowledge and downstream behaviors", Journal of Financial Economics, Vol. 145 (2A):255-272.

Portrait von Andrea Hofer
Beitrag von:
Andrea Hofer
erstellt am 30.09.2022
geändert am 22.06.2023

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Annamaria Lusardi, eine führende Forscherin auf dem Gebiet, gibt im Interview mit Pierre Weill Antworten auf diese und weitere Fragen.

Das Interview erschien im Januar 2020 in der NZZ am Sonntag. Wir geben es hier auszugsweise wieder.
 

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