Finanzbildung Deutschland

Drei Fragen an Carmela Aprea

Deutschland hat im vergangenen Jahr eine landesweite Strategie lanciert, um die finanzielle Bildung und Kompetenz der Bevölkerung zu verbessern.

Wir wollten von der Finanzbildungsexpertin Carmela Aprea mehr über die Ziele und den Ansatz der Finanzbildungsstrategie Deutschlands erfahren und haben sie zudem nach dem Grund gefragt, warum es in der Schweiz bisher keine vergleichbare Initiative gibt.

Im Dezember 2023 wurde in Deutschland die Finanzbildungsplattform «Mit Geld und Verstand» lanciert. Die Plattform bietet eine Vielzahl von Angeboten, die auf die finanzielle Bildung von Menschen in jeder Lebensphase abzielen.

Die Plattform ist eine Initiative des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und Teil der Finanzbildungsinitiative Deutschlands. Die Angebote umfassen Themen wie Kontoeröffnung, Vertragsabschluss, Altersvorsorge und vieles mehr.

Die Plattform berücksichtigt vorerst Inhalte von zwölf Einrichtungen des öffentlichen Sektors, unter anderem der Finanzaufsicht, der Deutschen Bundesbank und der Deutschen Rentenversicherung. Sie soll über die Zeit erweitert werden. Geplant ist, dass sich später auch private Organisationen mit ihren Inhalten beteiligen.

Carmela Aprea ist Inhaberin des Lehrstuhls für Wirtschaftspädagogik an der Universität Mannheim und leitet das Mannheim Institute for Financial Education (MIFE) zusammen mit Professorin Tabea Bucher-Koenen. Sie ist sowohl als Forscherin als auch als Beraterin an der Ausarbeitung der Finanzbildungstrategie Deutschlands beteiligt. Als frühere Professorin für Berufsbildungsforschung am Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung (EHB) kennt sie auch die Situation in der Schweiz sehr gut.

Wir wollten von ihr mehr über die Ziele und den Ansatz Deutschlands bei der Finanzbildung erfahren und haben sie zudem nach dem Grund gefragt, warum es in der Schweiz bisher keine vergleichbare Initiative gibt.

Mit Geld und Verstand

Die interaktive Website «Mit Geld und Verstand» bietet Informationen zu finanziellen Themen in allen Lebenslagen. Mit einfachen Filtern kann nach dem passenden Thema gesucht werden, das in verschiedenen Formen wie Podcasts, Videos, Spiele oder Texte alle wichtigen Informationen vermittelt.

Iconomix: Warum braucht Deutschland eine Finanzbildungsstrategie?

Carmela Aprea: Weil eigentlich jedes Land eine Finanzbildungsstrategie braucht. Finanzkompetenz ist ein sehr wichtiges Thema, nicht nur für Deutschland. Hier gab es bisher viele voneinander unabhängige «grass root movements», die Angebote im Bereich Finanzkompetenz lanciert haben. Eine strukturierte Finanzbildungsstrategie hilft, die bisherigen Angebote zu koordinieren und gewährleistet die Qualität der Angebote auf inhaltlicher sowie didaktischer Ebene. Zudem wird sichergestellt, dass alle Zielgruppen angesprochen werden.

Wer war bei der Lancierung im Lead und wie wurde dabei vorgegangen?

Federführend waren das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Bundesministerium für Finanzen. In Zusammenarbeit mit der OECD wurde vor einem Jahr die Initiative für eine Finanzbildungsstrategie lanciert.

OECD und Finanzbildung

Die OECD und ihr Internationales Netzwerk für Finanzbildung führen Forschungsarbeiten durch und entwickeln Instrumente zur Unterstützung von politischen Entscheidungsträgern und Behörden bei der Konzeption und Umsetzung nationaler Strategien für Finanzbildung. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) fungiert innerhalb von OECD/INFE als nationale Koordinatorin.

Sie kennen die Situation auch in der Schweiz gut. Warum gibt es hierzulande bisher keine vergleichbare Initiative?

In der Schweiz gibt es ebenfalls viele Anbieter, die sich in der Finanzbildung, Budgetberatung und Schuldenprävention engagieren. Diverse dieser Anbieter koordinieren sich informell im Rahmen des «Netzwerks Finanzkompetenz». Dennoch wäre es wünschenswert, wenn die Politik zusätzlich eine formelle Koordination übernehmen würde. Aber die staatlichen Behörden waren bisher zögerlich, bei diesem Thema den Lead zu übernehmen. Insofern gibt es eine gute Basis, auf die aufgebaut werden könnte – im Sinne von «das eine tun, ohne das andere zu lassen».

Martin Lengwiler

Quelle: zVg. durch Carmela Aprea

Professorin Carmela Aprea ist die Leiterin des Mannheim Institute for Financial Education (MIFE). Als Fachexpertin für Finanzkompetenz ist sie bei der Erarbeitung des neuen Moduls «Finanzkompetenz» von Iconomix als externe Partnerin beteiligt.

Beitrag von:
Iconomix-Team
erstellt am 12.04.2024

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