Anstieg der Staatsverschuldung: die Gründe

Über die letzten Jahrzehnte ist die Staatsverschuldung weltweit angestiegen. In einem englischsprachigen Video erklärt Ricardo Reis, Wirtschaftsprofessor an der London School of Economics, die Gründe für diese Entwicklung und gibt eine Vorhersage zum künftigen Verlauf. In diesem Beitrag fassen wir wichtige Erkenntnisse zusammen.

Ende 2020 erreichten die Schulden der öffentlichen Hand in Relation zum Bruttoinlandprodukt (BIP), also gewissermassen das Verhältnis der Staatsschulden zur Wirtschaftsleistung eines Landes (auch Schuldenquote genannt),  sowohl in den fortgeschrittenen als auch in den aufstrebenden Volkswirtschaften den höchsten Stand aller Zeiten, vergleiche dazu die nachfolgende Grafik.

Ein Grund für den Anstieg der Staatsverschuldung in Relation zum BIP war der Anstieg der öffentlichen Ausgaben, um die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie abzufedern. Wie Reis betont, war die Staatsverschuldung jedoch bereits in den Jahrzehnten davor stetig angestiegen. In dieser Zeit hatten die Regierungen immer mehr Kredite aufgenommen. 

Dieser Trend war aufgrund der sinkenden Zinssätze für Staatsschulden nachhaltig, vergleiche dazu die nachfolgende Grafik. Infolgedessen blieb der Betrag, den die Regierungen jedes Jahr an ihre Schuldner:innen zurückzahlen mussten, relativ stabil.

Seit 2020 ist die Staatsverschuldung zurückgegangen, primär aufgrund des Anstiegs der Inflation. Bei Inflation verliert Geld an Wert. Das gleiche gilt für finanzielle Forderungen wie zum Beispiel Staatspapiere: auch sie verlieren an Wert. Folglich ist der Anteil der Staatsschulden am BIP seit 2020 gesunken.

Reis betont, dass ein solches Aufblähen der Schuldenquote, wie es von 2000 bis 2020 zu beobachten war (erste Grafik), immer nur ein vorübergehendes Phänomen ist. Die entscheidende Frage ist deshalb, ob die Zinssätze auf dem Rekordtief der letzten 20 Jahre bleiben werden. Gemäss Reis lautet die Antwort auf diese Frage nein, und er nennt vier Gründe:

  • Die Kreditgeber des Staates werden wahrscheinlich höhere Zinsen verlangen, um für das Risiko einer weiteren Inflationsperiode entschädigt zu werden.
  • Aufgrund von geopolitischen Spannungen werden Kreditgeber:innen aus Südasien vermehrt davon absehen, ihr Geld in westliche Staatsanleihen zu investieren.
  • Investitionen in Staatsanleihen werden teils durch Investitionen in die Dekarbonisierung der Wirtschaft verdrängt werden.
  • Aufgrund des demografischen Wandels wird es eine Verschiebung von Haushalten mittleren Alters, die für den Ruhestand sparen, hin zu vielen älteren Haushalten geben, die nicht mehr sparen, sondern «entsparen», um ihren Ruhestand zu finanzieren.

Laut Reis wird all dies dazu führen, dass die Zinssätze für Staatsanleihen dauerhaft um 1 bis 2% steigen werden, was in den nächsten Jahrzehnten zu sinkenden Staatsausgaben und höheren Steuern führen wird.

Das Video in voller Länge können Sie sich hier ansehen. 

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Portrait von Damian Diethelm
Beitrag von:
Damian Diethelm
erstellt am 22.08.2023