An der Seepromenade sammeln sich die Abfallberge, Nacht für Nacht. Und jeden Morgen sehen Utoquai und Grünanlagen wieder fast wie neu aus. Doch wird das Littering-Problem jemals zu lösen sein?
Auszug aus dem NZZ-Artikel vom 11.08.2021 von Robin Schwarzenbach

Sie haben es zumindest versucht. Vier gutgelaunte Jungs Anfang zwanzig sitzen an einem lauen Sommerabend am Utoquai. Harten Alkohol gibt es direkt ab der Flasche. Trinken, lachen, tanzen, Arm in Arm. Es ist Freitag kurz vor 22 Uhr, die Nacht ist noch jung – die Party erst recht, sie geht woanders weiter. Die jungen Männer packen zusammen und gehen. Zurück bleiben mehrere Becher, Bierdeckel, Zigarettenstummel, Papierschnipsel, eine Bierflasche auf dem Mäuerchen, ein Bierkarton und ein Tetrapak in der Grünrabatte dahinter. Die Freunde sind schon fast ausser Sichtweite. Der Reporter rennt hinterher, möchte von ihnen wissen:
Sorry schnell, warum habt ihr euren Abfall nicht mitgenommen?
Wir müssen auf den Bus! – Unsere Sachen haben wir mitgenommen (zeigt auf einen Plastiksack mit leeren Flaschen und weiterem Abfall in der Hand). Das andere war von Kollegen von uns, die früher gegangen sind. Das räumen wir nicht auf.
Der Abend nimmt seinen Lauf. Tragbare Lautsprecher verwandeln die Zürcher Seepromenade in eine Open-Air-Disco. Die Tafeln der Stadt, die auf Abfallcontainer hinweisen sowie darauf, dass Musikanlagen hier nicht erlaubt seien, haben einen schweren Stand: «Respekt. Bitte. Alle.» Die Botschaft verpufft wirkungslos. Stattdessen dröhnt es aus einer dieser Boomboxen: «Partyrock is in the house tonight / Everybody just have a good time!» Mitsingen, mitkreischen, weiterfeiern, mit der nächsten Dose, der nächsten Zigarette, dem nächsten Becher in der Hand.
Ein paar Schritte seeaufwärts, auf der Höhe der Falkenstrasse: Gangsta-Rap, der Geruch von Hasch liegt in der Luft. Auf einem Mäuerchen: eine einsame Whiskeyflasche. Links und rechts davon stehen und liegen benutzte Becher herum. Eine weitere Gruppe sehr junger Männer hat sie zurückgelassen, obwohl Container in der Nähe stünden. Die Partygänger schreiten nun dem Bellevue entgegen.
Entschuldigung, ich schreibe über Littering. Die Flasche und die Becher da hinten, sind die von euch?
Äh . . . ja?
Warum habt ihr die nicht entsorgt?
Warum nicht? Warum machen es andere nicht? Ich weiss auch nicht, ich bin einfach betrunken.
Und wenn du nicht betrunken wärst?
Aber am Morgen kommt doch die Putztruppe, die das einsammelt. Ich schaffe Arbeitsplätze damit. Ist so, eigentlich schon! Ich mache auch etwas für die. Normalerweise littere ich nicht. Heute habe ich es ausnahmsweise mal dort gelassen.
Würdest du das auch tagsüber machen?
Nein, würde ich nicht machen. Am Tag würde ich es nicht machen.
Die Antworten sind typisch für das Littering- Problem, mit dem Zürich seit Jahren zu kämpfen hat. Es ist dem jungen Mann unangenehm, auf seinen Abfall angesprochen zu werden. Er weiss, dass sich das nicht gehört. Er betont, dass er normalerweise nichts zurücklasse. Er möchte nicht als «Litterer» gelten. Aber was soll’s? In ein paar Stunden kommen ohnehin die Müllmänner der Stadtreinigung.
Gute Absichten, Enthemmung und Gleichgültigkeit liegen nahe beieinander. Sobald die Sonne untergegangen ist, lässt sich auf der sommerlichen Partymeile beobachten, wie soziale Normen zusammenbrechen. Die ersten Flaschen, Dosen, Plastiksäcke auf dem Boden führen bei vielen der jungen Leute zu einem Dominoeffekt: Warum den eigenen Abfall entsorgen, wenn die anderen ihr Zeug ebenfalls liegen lassen? Wozu die Mühe, da man in der Dunkelheit sowieso unerkannt bleibt?