Finanzkompetenz als Schlüsselkompetenz

Viele Menschen treffen täglich finanzielle Entscheidungen – vielfach ohne das nötige Rüstzeug. Die Stanford Ökonomin Annamaria Lusardi zeigt mit drei grundlegenden Fragen, wie gross die Lücken im Finanzwissen sind und liefert starke Argumente für Finanzbildung im Unterricht. 

Den Ausgangspunkt bildete eine Umfrage im Jahr 2004: Die Ökonominnen Annamaria Lusardi und Olivia Mitchell durften drei kurze Fragen in einer grossangelegten Umfrage an über 50-Jährige in den USA einbauen. Thema: Zinseszins, Inflation und Risikostreuung – also das Einmaleins der Finanzwelt.

Die drei Fragen der Umfrage

1. Angenommen, Sie hätten 100 USD auf einem Sparkonto und der Zinssatz betrage 2 % pro Jahr. Wie viel hätten Sie  nach fünf Jahren auf dem Konto, wenn Sie das Geld dort liegen lassen würden?

A) Mehr als 102 Dollar (Richtig)
B) Genau 102 Dollar
C) Weniger als 102 Dollar
D) Ich weiss es nicht.
E) Keine Antwort 

2. Stellen Sie sich vor, der Zinssatz für Ihr Sparkonto betrage 1 % pro Jahr und die Inflationsrate 2 % pro Jahr. Wie viel könnten Sie nach einem Jahr mit dem Geld auf diesem Konto kaufen?

A) Mehr als heute
B) Genau dasselbe
C) Weniger als heute (Richtig)
D) Ich weiss es nicht
E) Keine Antwort

3. Beurteilen Sie, ob diese Aussage richtig oder falsch ist. „Der Kauf von Aktien eines einzelnen Unternehmens bietet in der Regel eine sicherere Rendite als ein Aktienfonds.“

A) Richtig
B) Falsch (Richtig)
C) Ich weiss es nicht
D) Keine Antwort

Das Resultat zeigte, dass nur rund ein Drittel der Befragten alle drei Fragen korrekt beantworten konnte. Lusardis Fazit:«Wir sind finanziell genauso ungebildet wie früher –  und Unwissenheit ist kein Segen, wenn es um persönliche Finanzen geht.»

Wissen, das ungleich verteilt ist

Die Umfrage von 2004 und viele nachfolgende Studien zeigten, dass Finanzwissen ungleich verteilt ist: Jüngere, Ältere, Menschen mit geringerer Bildung, Frauen sowie bestimmte Minderheiten schneiden schlechter ab. Lusardi und andere Forschende schätzen, dass ein grosser Teil der Vermögensungleichheit auf Unterschiede im Finanzwissen zurückgeht.

Menschen mit geringerer Finanzbildung …

  • … investieren seltener in breit gestreute Fonds,
  • … verwalten Kredite und Kreditkarten schlechter,
  • … nutzen steuerbegünstigte Vorsorgeinstrumente oder individuelle Rentenkonten seltener.

 

Ein Bildungsthema und was das für den Unterricht bedeutet 

Finanzielle Fehlentscheidungen kosten viel Geld. Lusardis Antwort darauf ist klar: Bildung. Sie leitet heute an der Stanford University die Initiative for Financial Decision-Making und einen Kurs zu Finanzgrundlagen, mit dem Ziel, Finanzwissen einer breiten Bevölkerung zugänglich zu machen.

Lusardis Forschung liefert drei klare Botschaften für Bildungsangebote:

  1. Finanzkompetenz ist eine Basisfähigkeit, keine Spezialdisziplin für Finanzprofis.
  2. Schon wenige Kernkonzepte wie Zinseszins, Inflation und Risikostreuung haben grosse Wirkung auf Lebensentscheidungen.
  3. Frühe und systematische Bildung kann Ungleichheit mindern, bevor sie sich festigt.

Denn am Ende gilt: Die Finanzwelt wird nicht einfacher, aber wir können dafür sorgen, dass mehr junge Menschen mithalten und mitreden können.

 

Lesen Sie den gesamten Artikel auf Englisch hier.

Annamaria Lusardi

Ernst Fehr

Quelle: Stanford Graduate School of Business

Annamaria Lusardi, geboren 1962, ist Senior Fellow am Stanford Institute for Economic Policy Research (SIEPR) und Direktorin der Initiative for Financial Decision-Making. Lusardi ist Gründerin des Global Financial Literacy Excellence Center (GFLEC) und eine führende Expertin für Finanzbildung mit nahezu 100 veröffentlichten Arbeiten. Sie beriet das US-Finanzministerium und leitete die nationale Finanzbildungsstrategie Italiens.    

Beitrag von:
Iconomix-Team