Komplexität einer modernen Wirtschaft verstehen

Drei Fragen an Johannes Binswanger

Das Buch «Reise in die moderne Geldwirtschaft» von Carolin Güssow und Johannes Binswanger bietet eine umfassende und gut verständliche Einführung in die komplexen Zusammenhänge der Geldwirtschaft.

Das Autorenduo Binswanger und Güssow nutzt die fiktive Stadt «Econville», um die Entwicklung der Geldwirtschaft von ihren Anfängen bis zur Einführung von digitalen Währungen wie Bitcoin anschaulich darzustellen.

Sie erläutern die Zusammenhänge zwischen Inflation, Zentralbanken und Zinsen und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft. Zudem analysieren sie den Übergang von Goldreserven zu ungedeckten Krediten und beleuchten die Entstehung von Währungsgemeinschaften.

In ihren Erklärungen legen Binswanger und Güssow grossen Wert auf fundiertes Wissen und eine gründliche Auseinandersetzung.

Johannes Binswanger ist Leiter des Lehrstuhls für Business Economics and Public Policy an der Universität St. Gallen.

Carolin Güssow ist Lehrbeauftragte für Volkswirtschaftslehre auf der Weiterbildungsstufe an der Universität St. Gallen und unterrichtet gemeinsam mit Johannes Binswanger.

Wir haben bei Johannes Binswanger nachgefragt, wie das Buch entstanden ist und an wen es sich richtet.

 

Cover des Einmaleins des Geldes

Das Buch «Reise in die moderne Geldwirtschaft» erschien im April 2023 beim Wiley Verlag. 

Iconomix: Was hat Sie dazu motiviert, ein Buch über die moderne Geldwirtschaft zu schreiben?

Johannes Binswanger: Ich wurde 2015 neu an die Universität St. Gallen berufen und meine erste und wichtigste Aufgabe in der Lehre war, einen wochenlangen Pflichtkurs in Ökonomie im Executive MBA neu zu konzipieren. Der Kurs richtet sich an erfahrene Führungskräfte aus der Wirtschaft mit den unterschiedlichsten Hintergründen. Wir mussten uns also was einfallen lassen, wie wir die hohe Komplexität einer modernen Wirtschaft für dieses Publikum erschliessen konnten. Wie so oft, war die Lösung: Storytelling. So ist also die Geschichte der fiktiven Stadt «Econville» entstanden, deren Entwicklung sich als roter Faden durchs Buch zieht.

Über sieben Jahre haben wir an der Geschichte gefeilt und Feedback der Lernenden eingebaut. Irgendwann hatten wir das Gefühl: «jetzt stimmts». Da war es Zeit, ein Buch zu schreiben, um die Geschichte einem weiteren Interessentenkreis zugänglich zu machen. Die tiefere Motivation für das Buch war aber, den heutigen Menschen zu erklären, wie diese «verrückte Wirtschaftswelt», mit der sie täglich interagieren, eigentlich funktioniert. Wir wünschen uns besonders, dass wir auch viele junge Menschen und Lehrpersonen damit ansprechen können.

Das Buch trägt den Untertitel «Wirtschaftszusammenhänge verstehen und mitreden können». Wen sprechen Sie damit an?

Der Untertitel ist daraus entstanden, dass wir Menschen, die bei Orell Füssli, bei Amazon oder im Laden unser Buch sehen, motivieren müssen, sich mit etwas so «Abstraktem» wie der Wirtschaft und Geld auseinanderzusetzen. Ganz bewusst sage ich hier «Wirtschaft und Geld» und nicht Geldwirtschaft… Der Untertitel soll ein klares Zeichen sein, dass es hier letztendlich um ein solides Grundverständnis für das Funktionieren unserer gesamten Wirtschaft inklusive Geld geht und nicht primär um den persönlichen Erfolg im Umgang mit Geld (auch wenn unser Buch dazu hoffentlich ebenfalls etwas beitragen kann).

Nun, was motiviert die Menschen? Wenn sie etwas scheinbar Schwieriges plötzlich unerwartet verstehen und dies dann anderen zeigen können, empfinden viele Freude. Mitreden und erklären können macht Spass.  Besonders freuen würde es uns, wenn wir bei Schüler:innen der Sekundarstufe II einen ähnlichen Effekt erzielen könnten. Schliesslich bestimmt die Wirtschaft, mit welchen Aktivitäten wir einen grossen Teil der Zeit unseres Lebens verbringen. Es wäre besonders schön, wenn wir vielen dazu ein Aha-Erlebnis bieten könnten.

Welche aktuellen Entwicklungen in der Geldwirtschaft haben aus Ihrer Sicht das grösste Potenzial?

Zuerst einmal zu dem, woran wahrscheinlich viele denken: Kryptowährungen... Das ist nicht die Entwicklung mit dem grössten Potenzial und wird die Geldwirtschaft in den kommenden Jahren vermutlich nur am Rande verändern. Im Buch legen wir dar, warum wir zu diesem Schluss kommen.

Das grösste Potenzial sehen wir beim Thema Geld darin, dass die Zentralbanken wieder in einer normalen Weise agieren können. Sechs von jeden sieben heute bestehenden Schweizerfranken bei der Schweizerischen Nationalbank sind seit 2011 in den Umlauf gekommen! (In der Covid-Zeit waren es sogar neun von zehn Schweizerfranken.) In graphischen Darstellungen schossen die Bilanzen der Zentralbanken wie Raketen in die Höhe. Das hatte gute Gründe, aber es stellt etliche Probleme für eine gute Geldpolitik dar. Aktuell nehmen die Bilanzen der Zentralbanken deutlich ab. Wir sehen darin eine sehr wichtige Entwicklung. Damit kommt dem Interbankenmarkt wieder die Rolle zu, Preissignale für eine gute Allokation von Ressourcen zu senden. Aber hier sehen Sie schon ein Problem: wir reden hier über sehr wichtige Dinge, aber die meisten Menschen würden das nicht verstehen (und das sehen wir sogar bei Führungskräften aus der Wirtschaft). Nach der Lektüre des Buches ist das hoffentlich anders.

Urs Birchler

Quelle: zVg. durch Johannes Binswanger

Johannes Binswanger unterrichtete Ökonomie an der Universität Tillburg bevor er an die Universität St. Gallen wechselte. Dort hat er den Lehrstuhl  für Business Economics und Public Policy inne und unterrichtet unter anderem auf Executive Ebene. Nebst den Wirtschaftswissenschaften interessiert er sich für Data Science und Machine Learning.

Beitrag von:
Iconomix Team
erstellt am 06.03.2024
geändert am 12.04.2024