Junge Menschen, die in einer Wirtschaftskrise heranwachsen, werden bisweilen als «verlorene Generation» bezeichnet. Ursprünglich wurde mit diesem Begriff die Generation beschrieben, die im Ersten Weltkrieg geopfert wurde. Eine wachsende Zahl von Studien kommt zum Schluss, dass der Begriff auch in der gegenwärtigen Krise passend ist.
Junge Erwachsene, die mitten in einer Rezession in den Arbeitsmarkt eintreten, müssen mit massiv negativen Auswirkungen auf ihre Beschäftigungsaussichten, ihr Einkommen, ihre Gesundheit und die Stabilität ihrer Familie während ihres gesamten Erwachsenenlebens rechnen.
Diese negativen Auswirkungen sind umso problematischer, als sie sich tendenziell gegenseitig verstärken und verfestigen: Ein geringeres Einkommen oder längere Arbeitslosigkeit kann zu einem geringeren Selbstwertgefühl und familiären Brüchen führen, die die Chancen auf dem Arbeitsmarkt weiter verringern.
Die Ökonomen Hannes Schwandt und Till von Wachter geben in einem englischsprachigen Artikel «The Long Shadow of an Unlucky Start» einen Überblick über die Herausforderungen der «verlorenen Generation» der aktuellen Covid-Krise und machen Vorschläge dazu, wie man diesen begegnen kann.
Co-Autor Hannes Schwandt ist Assistenzprofessor an der Northwestern University in den USA. Der deutsche Ökonom forscht zu Arbeits- und Gesundheitsökonomie sowie zu Demografie. Wir haben ihm drei Fragen zur Situation von jungen Menschen in der Corona-Krise gestellt.
Der Beitrag «The Long Shadow of an Unlucky Start» erschien im Dezember 2020 in der Zeitschrift «Finance & Development» des Internationalen Währungsfonds (IMF).
Hannes Schwandt: Grundsätzlich besteht die Hoffnung, dass sich die Wirtschaft sehr schnell erholt, sobald die Pandemie überstanden ist. Im Vergleich zu früheren Wirtschaftskrisen basiert diese Krise ja nicht auf ökonomischen Ungleichgewichten, strukturellen gesellschaftlichen Problemen, oder kollabierenden Märkten. Im Gegenteil, die Pandemie kam zu einem Zeitpunkt relativ stabilen Wachstums und die gegenwärtige Rezession ist einfach nur eine Folge von Eindämmungsmassnahmen. Es hat einen Grund, weshalb die Spanische Grippe, die ja eine sehr viel schlimmere Pandemie war, kaum im kollektiven Gedächtnis als eine wirtschaftliche Krise präsent ist (z.B. im Vergleich zu der Great Depression nach 1929).
Was heisst das für junge Erwachsene, die noch während der Pandemie auf den Arbeitsmarkt gehen? Suche so intensiv wie möglich nach Arbeitsmöglichkeiten und schrecke nicht vor Übergangslösungen wie einer Teilzeitstelle oder sogar nur einem niedrig bezahlten Praktikum zurück. Wenn die Wirtschaft wieder hochgefahren wird, habt Ihr so schon ein bisschen Arbeitserfahrung gesammelt und die Unternehmen werden Euch dann liebend gerne mit einer Vollzeitstelle übernehmen.
Was man selbst bei schweren Rezessionen in der Vergangenheit sieht, ist, dass gut ausgebildete “recession graduates” sich über die Zeit von einer Stelle zur nächsten besser bezahlten “hochhangeln", bis sie die anfänglichen Nachteile komplett aufgeholt haben. Dieser Prozess sollte dieses Mal noch schneller möglich sein, aber er kann trotzdem mehrere Jahre dauern (bei normalen Rezessionen bis zu 10-15 Jahren!).
Es gibt verschiedene Ansätze. Man kann Firmen einen Anreiz bieten, junge Menschen einzustellen, zum Beispiel mit der Subvention von Stellen für junge Erwachsene, die in der Krise ihre Ausbildung oder ihr Studium abschliessen, oder mit grösserer regulatorischer Flexibilität bei Arbeitsverträgen (mehr Teilzeitarbeit, usw.). Ausserdem müssten junge Erwachsene über langfristige Effekte von Rezessionen bei Arbeitsmarkteintritt informiert werden, so dass sie wissen, dass es sich lohnt, auch in der mittleren Frist für mögliche Verbesserungen der eigenen Jobsituation Ausschau zu halten.
Die Effekte, welche die ökonomische Forschung misst, sind Durchschnittseffekte, die wenig über den Werdegang einer einzelnen Person aussagen können. Von Perspektivlosigkeit kann keine Rede sein: die Perspektive für die Zukunft der Schweizer Wirtschaft ist sehr gut und grundsätzlich ist es nicht so, dass in der Krise junge Arbeitsmarkteintretende keinen Job finden, sie finden im Schnitt eben nur einen weniger gut bezahlten. Und dieser Unterschied kann mit erhöhter Flexibilität und Offenheit für Job-Wechsel ausgeglichen werden, insbesondere bei einer guten Ausbildung.
Zu guter Letzt: Die gegenwärtige Pandemie-Krise hat zu enormem wissenschaftlichen, technologischen, und gesellschaftlichen Fortschritt geführt. Dieser Fortschritt hat das Potential, die Gesundheit und die Lebensqualität der jetzigen jungen Generation für alle kommenden Dekaden zu verbessern. Die grosse Gefahr besteht hingegen darin, dass junge Menschen psychologische Schäden von dieser von social distancing und Lockdowns geprägten Zeit davontragen. Diese könnten unsere Gesellschaft teuer zu stehen kommen und die Politik sollte ein besonderes Augenmerk daraufsetzen.
Quelle: zVg. durch Hannes Schwandt
Hannes Schwandt ist seit August 2018 Assistenzprofessor an der Schule für Bildung und Sozialpolitik von Northwestern University (USA).