Wirtschaft erleben in den Wirtschaftswochen

Drei Fragen an Brigit Fischer

In den Wirtschaftswochen von wirtschaftsbildung.ch schlüpfen die Schülerinnen und Schüler in die Rollen von Geschäftsleitungen. Programmleiterin Brigit Fischer erzählt im Interview mit Iconomix, wie eine Wirtschaftswoche funktioniert, welche Neuerungen die überarbeitete Unternehmenssimulation WIWAG 7 bietet und welche Erfahrungen die Jugendlichen aus der Wirtschaftswoche mitnehmen können.

In den Wirtschaftswochen haben Schülerinnen und Schüler aus Mittelschulen und kaufmännischen Berufsfachschulen Gelegenheit, in Kleingruppen fünf Tage lang ihr eigenes Unternehmen zu führen. Die Jugendlichen entwickeln Strategien, analysieren die Konkurrenz und reagieren auf veränderte Marktbedingungen. Die Aufgabe dabei: Das Unternehmen ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltig durch mehrere Geschäftsjahre zu führen.

Wir haben bei Brigit Fischer, Programmleiterin der Wirtschaftswochen, nachgefragt, wie eine Wirtschaftswoche genau abläuft und was das Erfolgsgeheimnis des Programms ist.

Wenn Sie an Ihrer Schule ebenfalls eine Wirtschaftswoche durchführen möchten, nehmen Sie mit wirtschaftsbildung.ch Kontakt auf. Dort erhalten Sie erste organisatorische Informationen sowie den Kontakt zum für Ihren Kanton zuständigen Organisator der Wirtschaftswochen.

Iconomix: Frau Fischer, als Programmleiterin der Wirtschaftswochen verantworten Sie die Ausbildung zur Leitung einer Wirtschaftswoche. Wie läuft eine Wirtschaftswoche ab?

Brigit Fischer: In einer Wirtschaftswoche setzen sich die Schülerinnen und Schüler eine Woche lang aktiv und praxisnah mit wirtschaftlichen Zusammenhängen auseinander. Dazu schlüpfen sie in die Rollen von Unternehmensleitungen. Die betriebswirtschaftliche Simulation WIWAG simuliert für sie Markt und Unternehmen. Wie im realen Wirtschaftsleben organisieren sich die Schülerinnen und Schüler in den verschiedenen Funktionen einer Geschäftsleitung: Sie entwickeln ihre Unternehmensstrategie und fällen über mehrere Geschäftsjahre eine Vielzahl von Entscheidungen.

Dabei müssen sie innerhalb der Geschäftsleitung auch mit Zielkonflikten umgehen. Ein Beispiel: Die Leiterin der Produktion will die neusten Maschinen kaufen, um die Rationalisierung der Produktion voranzutreiben. Dies kann aber Entlassungen von Mitarbeitenden zur Folge haben, was die Personalverantwortliche verhindern möchte. Zudem kosten die neuen Maschinen viel Geld, welches der Marketingchef lieber in die Werbung stecken möchte. Was nun? Solche und zahlreiche weitere Fragen müssen im Team diskutiert und entschieden werden. Zudem erarbeiten die Geschäftsleitungen ein Marketingkonzept und produzieren einen Werbespot. Und schliesslich gilt es auch, sich mit der Konkurrenz und der Marktentwicklung auseinanderzusetzen. Kurz, die Jugendlichen sind gefordert, ihr Unternehmen verantwortungsvoll, ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltig zu führen.

Unterstützt und begleitet werden sie in der Wirtschaftswoche von Führungskräften aus der Praxis. Meist gehört auch eine Unternehmensbesichtigung in der Region zum Wochenprogramm. Ziel einer Wirtschaftswoche ist es, bei den Jugendlichen ein bleibendes Interesse am Thema Wirtschaft zu wecken.

Im Juni 2021 wurde die Lernumgebung, auf der die Wirtschaftswoche basiert, neu lanciert. Was hat sich gegenüber der Vorgängerversion verändert?

Bei WIWAG 7 kommt die neuste Generation von Technik zum Einsatz, und die Simulation ist vollkommen webbasiert. Entwickelt wurde sie unter der Leitung von René Steiner, ebenfalls Teil des Kernteams von wirtschaftsbildung.ch. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der Entwicklung von Simulationen und als Wirtschaftspädagoge auch in der Didaktisierung von Inhalten – so zum Beispiel bei Ecoland, einem weiteren Programm von wirtschaftsbildung.ch.

Inhaltlicher Anspruch und Auftrag an WIWAG 7 waren der Ausbau des Themas Nachhaltigkeit, die Akzentuierung von Zielkonflikten sowie ein zeitgemässes didaktisches Konzept im Sinne der Kompetenzorientierung. Bei Letzterem war Petronella Vervoort, Geschäftsführerin von wirtschaftsbildung.ch, federführend. Zudem wurden systematisch Befragungen bei den Spielleitungen durchgeführt und im Vorfeld der Weiterentwicklung rund 250 substanzielle Rückmeldungen qualitativ ausgewertet.

Im Bereich der Nachhaltigkeit wurden – gemäss Triple Bottom Line Ansatz – neue Entscheide integriert und mit einem Dashboard wurde ein Cockpit mit den wichtigsten Grafiken für die Unternehmen geschaffen. Ein levelorientiertes Netzwerk dient zur Veranschaulichung aller Zusammenhänge von Entscheidungen und ihren Wirkungen. Als Webplattform erlaubt WIWAG 7 die flexible Integration von verschiedenen Themen und bietet bedürfnisabhängige Begleitinformationen für Schülerinnen und Schüler sowie auch für die Spielleitungen. Insofern ist WIWAG 7 ein wertvolles Arbeitsinstrument für die Wirtschaftswochen.

Rund 4'000 Schülerinnen und Schüler nehmen jährlich an einer Wirtschaftswoche teil. Worin liegt das Geheimnis des Programms und welche Erfahrungen können die Jugendlichen daraus mitnehmen?

Es sind im Wesentlichen drei Elemente, die für den Erfolg der Wirtschaftswochen massgeblich sind: Erstens trägt das Konzept der Wirtschaftwoche zur Brückenbildung zwischen Schule und Praxis bei und schafft mit der Kombination von «Mensch und Tool» eine einzigartige Lernumgebung. Zweitens ermöglicht es die Partnerschaft zwischen Handelskammern, Unternehmen und wirtschaftbildung.ch – wir nennen sie «Dreifaltigkeit» – optimale Grundvoraussetzungen für eine gelungene Durchführung.

Last but not least sind vor allem die Spielleitungen für die vielen positiven Rückmeldungen verantwortlich. Als Führungskräfte aus der Wirtschaft leisten sie einen Freiwilligeneinsatz und garantieren einen maximalen Praxisbezug der Wirtschaftswochen – und sie geben der Wirtschaft ein Gesicht. Durch dieses praxisnahe «Wirtschaft erleben» lernen die Schülerinnen und Schüler, wirtschaftliche Zusammenhänge sowie die Wichtigkeit einer nachhaltigen Unternehmensführung besser zu verstehen.

Ralph Winkler

Quelle: zVg. durch wirtschaftsbildung.ch

Brigit Fischer gehört zum Kernteam von wirtschaftsbildung.ch und ist für die Programmleitung der Wirtschaftswochen zuständig. Sie ist langjährige Spielleiterin und Organisatorin von Wirtschaftswochen.

Hintergrund

wirtschaftsbildung.ch – was ist das?

Wirtschaftsbildung.ch ist eine Non-Profit-Organisation, die junge Menschen Wirtschaft erleben lässt und so Neugierde und Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge sowie das Zusammenspiel von Wirtschaft und Gesellschaft fördert. Die Organisation will als digitale Plattform den Dialog über eine zeitgemässe Wirtschaftsbildung intensivieren.

Der Verein wirtschaftsbildung.ch wurde Anfang 2020 gegründet, er ist aus der Ernst-Schmidheiny-Stiftung hervorgegangen. Die Vorläuferorganisation entwickelte seit den 1970er-Jahren wirtschaftspädagogische Lehr- und Lernkonzepte auf der Grundlage von computerbasierten Planspielen bzw. Simulationen, darunter WIWAG. Die erste Wirtschaftswoche wurde 1974 durchgeführt.

 

Portrait von Daniela Waser
Beitrag von:
Daniela Waser
erstellt am 15.01.2022
geändert am 12.04.2024