Konjunkturtendenzen Herbst 2022
Die Expertengruppe des Bundes für Konjunkturprognosen publiziert jedes Quartal eine
Die Herbstprognose wurde am 20. September 2022 mit einer Medienmitteilung des SECO präsentiert. Sie wurde in einer ausführlichen SECO-Publikation, den «Konjunkturtendenzen», dokumentiert – siehe nebenstehende Abbildung.
Diese Publikation ist im Internet frei zugänglich unter www.seco.admin.ch/Konjunkturtendenzen. Ferner ging die Hauptausgabe der «Tagesschau» von SRF vom gleichen Tag im Beitrag «SECO erwartet schwächeres Wirtschaftswachstum» (2:23) auf die Prognose ein.
Im vorliegenden Arbeitsauftrag gibt Iconomix anhand von Auszügen aus der 30–seitigen Publikation sowie der Medienmitteilung des SECO eine knappe Zusammenfassung und ergänzt diese mit Fragen zum SECO-Text. Bei den mit dem Icon ✪ markierten Fragen handelt es sich um Vertiefungsfragen; diese weisen über den SECO-Text hinaus und laden zum Weiterdenken ein.
Die Zusammenfassung von Iconomix hat folgende Struktur: Die Schweiz als kleine, weltmarktorientierte Volkswirtschaft wird stark von der weltwirtschaftlichen Konjunktur beeinflusst. Deshalb werden im ersten Teil die Lage der Weltwirtschaft und das monetäre Umfeld dargestellt. Im zweiten Teil wird die Wirtschaftslage Schweiz im zurückliegenden Quartal beschrieben, im dritten Teil die aktuelle Konjunkturprognose vorgestellt und im vierten Teil werden die Risiken der wirtschaftlichen Entwicklung und der Prognose erläutert.
Foliensatz mit Grafiken und Tabellen
Das Modul «Konjunkturtendenzen» von Iconomix umfasst auch einen Foliensatz (PDF) mit allen Grafiken und Tabellen aus der gleichnamigen SECO-Publikation – von den Beiträgen der Branchen zum BIP-Wachstum über den Welthandel bis zur Inflationsentwicklung.
Realwirtschaft
Im 2. Quartal 2022 schwächte sich die Erholung der Weltwirtschaft ab. In Europa stützten die weitgehende Aufhebung der Corona-Massnahmen, die gute Auftragslage der Unternehmen und die niedrige Erwerbslosigkeit die Entwicklung.
Allerdings verstärkte sich der Teuerungsdruck international im Verlauf des 2. Quartals weiter, getrieben insbesondere durch starke Anstiege der Energie- und Lebensmittelpreise. Dies lastete auf der Kaufkraft der privaten Haushalte und bremste die Nachfrage. Zudem belasteten die Corona-Massnahmen in China die Weltwirtschaft merklich.
Monetäre Entwicklung
Die bereits hohen Inflationsraten sind in den vergangenen drei Monaten nochmals angestiegen (vgl. die Abbildung unten). Auch die Kerninflation erreicht inzwischen verbreitet hohe Werte. Entsprechend wurde die Geldpolitik international restriktiver. In den letzten Monaten haben die Zentralbanken der Schweiz, des Euroraums, der USA sowie des Vereinigten Königreichs die Leitzinsen deutlich angehoben. Weitere Zinsschritte sind in Aussicht gestellt.
Abbildung aus SECO-Konjunkturtendenzen:
Inflation ausgewählter Länder
Veränderungen gegenüber dem Vorjahresmonat, in Prozenten
Quellen: BFS, Eurostat, U.S. BLS, ONS
Fragen zum internationalen und zum monetären Umfeld
Beschreiben Sie die aktuelle Lage der Weltwirtschaft.
Wie sieht die monetäre Entwicklung aus?
Die Inflation ist in den letzten Monaten weltweit stark angestiegen. Was waren die grössten Preistreiber?
✪ Im Text wird gesagt, dass der starke Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise auf der Kaufkraft der privaten Haushalte lastet und die Nachfrage bremst. Erklären Sie den Zusammenhang zwischen steigendem Teuerungsdruck und sinkender Nachfrage.
✪ Im Text wird gesagt, dass verschiedene Zentralbanken die Leitzinsen deutlich angehoben haben. Was bezweckt eine Zentralbank, wenn sie den Leitzins erhöht? Beschreiben Sie.
✪ Im Text ist davon die Rede, dass inzwischen auch die Kerninflation verbreitet hohe Werte erreicht. Was bedeutet es, wenn nicht nur die Inflation, sondern auch die Kerninflation steigt? Erklären Sie.
Überblick
Im 2. Quartal 2022 setzte sich die Erholung der Schweizer Wirtschaft erwartungsgemäss fort, wenn auch etwas weniger schwungvoll. Das BIP-Wachstum wurde vom Dienstleistungssektor getragen. Insbesondere sind die Konsumausgaben in den Bereichen Freizeit, Gastgewerbe und Reisen nach der Aufhebung der gesundheitspolitischen Massnahmen stark gestiegen.
Bruttoinlandprodukt
Im 2. Quartal 2022 wuchs das BIP moderat um 0,3% (Sportevent-bereinigt).
Arbeitsmarkt
Die Arbeitslosigkeit ging weiter zurück, und die Beschäftigung legte kräftig zu. Die Kurzarbeit bildete sich ebenfalls stark zurück und erreichte Ende Mai 2022 beinahe wieder den Vorkrisenstand.
Preise
Die Inflation stieg im Sommer weiter an, auf 3,5% im August. Damit ist sie inzwischen so hoch wie seit 1993 nicht mehr, im internationalen Vergleich aber moderat.
Fragen zur Wirtschaftslage Schweiz
Wie hat sich die Schweizer Wirtschaft im 2. Quartal 2022 entwickelt?
Wie war die Lage am Arbeitsmarkt?
Wie entwickelte sich die Teuerung?
✪ Die Inflation ist in der Schweiz bisher nicht so stark gestiegen wie im Euroraum, den USA oder dem Vereinigten Königreich. Was könnten mögliche Gründe sein?
BIP
Die weiteren Aussichten hängen zentral von der Energieversorgung ab. Seit dem Sommer 2022 hat sich das Risiko einer Mangellage infolge der ausbleibenden Gaslieferungen aus Russland erhöht. Unter anderem durch die steigenden Preise hat sich die internationale Konjunktur eingetrübt, was sich bereits im Verlauf des aktuellen Jahres auf die Schweizer Exportindustrie überträgt.
Vor diesem Hintergrund prognostiziert die Expertengruppe für die Schweiz ein Wirtschaftswachstum von 2,0% im Jahr 2022 (Sportevent-bereinigtes BIP, Prognose vom Juni: 2,6%).
Die Weltnachfrage dürfte sich bis zum Ende des Prognosehorizonts (Winter 2023) im Zuge der hohen Preise und der restriktiveren Geldpolitik erheblich weniger schwungvoll entwickeln als in der Prognose von Juni 2022 angenommen. Dies bremst die Schweizer Exportwirtschaft. Auch von der Binnennachfrage dürften geringere Wachstumsimpulse kommen. Zum einen dürfte das Aufholpotenzial allmählich erschöpft sein. Zum anderen dürften erhebliche Erhöhungen der Stromtarife auf den Haushaltsbudgets lasten.
Für das Gesamtjahr 2023 senkt die Expertengruppe ihre Wachstumsprognose deshalb deutlich auf 1,1% (Sportevent-bereinigt; Prognose von Juni: 1,9%).
Preise
Aufgrund der gestiegenen Energiepreise ist auch in der Schweiz mit höheren Inflationsraten zu rechnen als bislang erwartet (Aufwärtsrevision der Prognose für die Inflation auf 3,0% für 2022 sowie auf 2,3% für 2023). Von entsprechenden dämpfenden Effekten auf die Binnennachfrage ist auszugehen.
Arbeitsmarkt
Infolge der konjunkturellen Abkühlung dürfte sich die Beschäftigungsentwicklung nach dem starken ersten Halbjahr 2022 abschwächen und die Arbeitslosigkeit im 4. Quartal allmählich zu steigen beginnen. Im Jahresdurchschnitt 2022 dürfte die Arbeitslosenquote 2,2% betragen, danach folgen 2,3% im Jahr 2023.
Fragen zur Konjunkturprognose Schweiz
Mit welchem BIP-Wachstum rechnet die Expertengruppe des Bundes für die Jahre 2022 und 2023?
Mit welcher Arbeitslosigkeit ist im Prognosezeitraum zu rechnen?
Wie wird sich die Inflation über den Prognosezeitraum entwickeln?
✪ Die Expertengruppe des Bundes geht von einer deutlichen Abschwächung des Wirtschaftswachstums in der Schweiz aus. Was sind die Gründe für die schwächer werdende Konjunktur?
Zuspitzung der Energieknappheit in Europa
Die Schweizer Wirtschaft würde empfindlich getroffen, sollte es in Europa zu einer ausgeprägten Mangellage bei Gas oder Strom mit Produktionsausfällen auf breiter Basis und einem deutlichen Abschwung kommen. In einem solchen Negativszenario wäre auch im Inland mit einem hohen Preisdruck bei gleichzeitig rückläufiger Wirtschaftsentwicklung zu rechnen.
Steigende Zinsen
Angesichts steigender Zinsen verschärfen sich die Risiken im Zusammenhang mit der global stark angestiegenen Verschuldung. Die Wahrscheinlichkeit von Korrekturen an den Finanzmärkten ist erhöht. Auch im Immobiliensektor bestehen im Inland wie international weiter Risiken. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass sich die Inflation als persistenter erweist als bislang angenommen. Damit könnte ein restriktiverer Kurs der internationalen Geldpolitik nötig werden.
Corona-Massnahmen
Rückschläge bei der Pandemie, z. B. aufgrund neuer Virusvarianten, sind nicht auszuschliessen. Anhaltende stark einschränkende Corona-Massnahmen könnten insbesondere die chinesische Wirtschaft weiter schwächen – mit Auswirkungen auf die globale Konjunktur.
Positivrisiken
Möglich ist aber auch eine günstigere Entwicklung als in der Konjunkturprognose unterstellt. Dies etwa, falls sich die Energielage glimpflicher als erwartet entwickelt bzw. schneller entspannt. In einem solchen Positivszenario wäre mit tieferen Inflationsraten und einer robusteren Nachfrage im In- und im Ausland zu rechnen.
Fragen zu den Konjunkturrisiken
Beschreiben Sie die wichtigsten abwärts gerichteten Risiken.
Es gibt auch Positivrisiken. Geben Sie ein Beispiel.
✪ Wie würde sich das Szenario einer «ausgeprägten Mangellage bei Gas oder Strom mit Produktionsausfällen auf breiter Basis» auf die Schweizer Konjunktur auswirken?
✪ Es mehren sich die Anzeichen dafür, dass Preiserhöhungen verstärkt auf Waren und Dienstleistungen übergreifen, die nicht direkt vom Krieg in der Ukraine oder von den Pandemiefolgen betroffen sind. Damit steigt die Gefahr, dass sich die Inflation verfestigt. Im Zusammenhang mit einer solchen Dynamik wird bisweilen der Begriff «Lohn-Preis-Spirale» verwendet. Was ist damit gemeint?