Geldpolitik: Anwendung
Geldpolitik: Anwendung

Fachtext

Geldpolitik: Anwendung

Hauptaufgabe einer Zentralbank

Eine Zentralbank ist keine gewöhnliche Bank, sondern erfüllt eine besondere Hauptaufgabe: Sie muss die Geldpolitik im Gesamtinteresse des Landes führen. Damit ist gemeint, dass sie gleichzeitig zwei wichtige Ziele verfolgt:

  • Die erste Zielgrösse ist die Inflation, also ein über mehrere Perioden anhaltender Anstieg des allgemeinen Preisniveaus. Für die Zentralbank gilt es, grosse Schwankungen des Geldwerts zu vermeiden, was häufig mit einem Preisniveauanstieg zwischen 0% und 2% pro Jahr gleichgesetzt wird. Dieses Ziel wird als Preisstabilität bezeichnet und ist in der Regel das vorrangige Ziel der Geldpolitik.
  • Das zweite Ziel ist eine ausgewogene konjunkturelle Entwicklung des Landes. Die Konjunktur soll weder stark überhitzen noch stark abkühlen. Dies ist meist ein wichtiges Nebenziel der Geldpolitik, steht jedoch in engem Zusammenhang mit der Inflationsentwicklung.

Mass für die Konjunkturlage

Die wirtschaftliche Entwicklung kann anhand verschiedener Indikatoren beurteilt werden, wie etwa der Konsumentenstimmung, dem Bruttoinlandprodukt (BIP) oder der Arbeitslosenquote. In Mopos dient die Produktionslücke (engl. «Output Gap») als Mass für die Konjunkturentwicklung. Sie zeigt, wie stark die vorhandenen Produktionskapazitäten genutzt werden. Konkret misst die Produktionslücke die prozentuale Abweichung zwischen der tatsächlichen Produktion und dem Produktionspotenzial – also jener Produktionsmenge, die maximal erreicht werden kann, ohne zusätzlichen Inflationsdruck zu erzeugen. Sind die Produktionskapazitäten stark ausgelastet, steigt tendenziell der Inflationsdruck; sind sie unterausgelastet, wirkt dies dämpfend auf die Inflation.

Geldpolitisches Instrument

Die meisten Zentralbanken, einschliesslich der Schweizerischen Nationalbank, verfolgen ihre geldpolitischen Ziele, indem sie gezielt Einfluss auf die Wirtschaft nehmen. Unter normalen Umständen geschieht dies primär durch die Anpassung des Leitzinses. Damit geben die Zentralbanken eine klare Richtung vor, in welche die Geldpolitik gesteuert werden soll. Zusätzlich sorgen sie durch ergänzende Massnahmen dafür, dass die kurzfristigen Geldmarktzinsen nah an dem Leitzins bleiben.

Mit ihrer Zinspolitik kann eine Zentralbank sowohl die Inflation als auch die konjunkturelle Entwicklung beeinflussen. Ein höherer Leitzins führt tendenziell zu einer Verlangsamung des Preisanstiegs (= tiefere Inflation) und einer Abschwächung der Konjunktur (= kleinere Produktionslücke). Ein tieferer Leitzins wirkt dagegen expansiv: Er beschleunigt sowohl den Preisanstieg als auch die wirtschaftliche Aktivität.

Was bedeutet Produktionslücke?

Die tatsächliche Produktion einer Volkswirtschaft schwankt um ihr langfristiges Produktionspotenzial. Das Potenzial ist jene Produktionsmenge, die bei voller Auslastung der verfügbaren Kapazitäten erreicht werden kann, ohne zusätzlichen Inflationsdruck zu erzeugen.

Liegt die tatsächliche Produktion über dem Potenzial, tendiert die Inflation dazu, anzusteigen. Ist die tatsächliche Produktion kleiner als das Potenzial, tendiert die Inflation dazu, zu sinken.

Entscheidungsprozess

Die Zentralbankleitung trifft sich in regelmässigen Abständen, um einen Zinsentscheid zu fällen. Wichtigstes Arbeitsinstrument ist hierbei die Analyse von volkswirtschaftlichen Daten. Die Zentralbank analysiert deren Verlauf in der Vergangenheit und im laufenden Quartal. Zusätzlich erstellt sie Prognosen zur zukünftigen Entwicklung von Inflation und Konjunktur. Diese hängen stets auch vom gewählten Zinssatz ab, da er beide Grössen beeinflusst. Auf Basis dieser umfassenden Analyse entscheidet die Zentralbank, ob eine geldpolitische Anpassung erforderlich ist.

Der geldpolitische Prozess verläuft typischerweise in zwei Phasen:

  • Analyse der Ausgangslage: In der ersten Phase steht die Analyse der aktuellen wirtschaftlichen Lage im Mittelpunkt. Es gilt zu beurteilen, wie sich die Ausgangslage seit der letzten Lagebeurteilung verändert hat.
  • Prognose und Zinsentscheid: In der zweiten Phase richtet sich der Fokus auf die Zukunft. Da Zinsänderungen erst mit zeitlicher Verzögerung wirken, ist ein vorausschauendes Handeln der Geldpolitik erforderlich. Deuten die Prognosen bei unverändertem Zinsniveau auf eine Gefährdung der Preisstabilität oder einen Boom bzw. eine Rezession hin, signalisiert dies einen Handlungsbedarf für die Geldpolitik.

Herausforderungen

Verschiedene Faktoren erschweren das Führen der Geldpolitik:

  • Ein Instrument, zwei Ziele: Zwischen den beiden Zielsetzungen Preisstabilität und ausgewogene Konjunkturentwicklung können sich Widersprüche ergeben. In solchen Fällen kann es schwierig sein, mit einem geldpolitischen Instrument beide Ziele gleichzeitig zu erreichen. Die Zentralbank muss dann eine Güterabwägung vornehmen, etwa indem sie vorübergehend eine höhere Inflation in Kauf nimmt, um eine mildere Rezession anzustreben.
  • Zeitverzögerung: Die Entwicklung einer Volkswirtschaft, gemessen an den Zielgrössen Inflation und Produktionslücke, ist ein träger Prozess. Veränderungen wirken oft erst mit zeitlicher Verzögerung. Das bedeutet, dass sowohl die vergangene Entwicklung als auch verzögerte wirtschaftliche Reaktionen auf Zinsänderungen für die aktuelle und künftige Geldpolitik von zentraler Bedeutung sind.
  • Unerwartete Ereignisse: Neben der Vergangenheit und der Geldpolitik spielt der Zufall eine wichtige Rolle. Unerwartete Ereignisse, die die wirtschaftliche Entwicklung positiv oder negativ beeinflussen und nicht exakt vorhersehbar sind, werden auch als Schocks oder Störungen bezeichnet. Ein Beispiel ist eine plötzliche und starke Aufwertung der Landeswährung.

Zusammenfassung

Eine moderne Zentralbank verfolgt zwei Ziele: die Preisstabilität als vorrangiges Ziel und eine ausgewogene konjunkturelle Entwicklung als wichtiges Nebenziel.

Die Zentralbank verfolgt die beiden Ziele mit dem Instrument des Leitzinses:

  • Eine Erhöhung des Leitzinses führt in der Regel zu einer tieferen Inflation und einer Abschwächung der Konjunktur.
  • Eine Senkung des Leitzinses führt entsprechend zu einer höheren Inflation und einer Belebung der Konjunktur.

Die Zentralbankleitung trifft in regelmässigen Abständen einen Zinsentscheid. Dazu analysiert sie den Verlauf von volkswirtschaftlichen Schlüsselgrössen wie der Inflation und der Produktionslücke in der Vergangenheit und Gegenwart. Prognosen zur zukünftigen Entwicklung von Inflation und Konjunktur hängen stets auch vom gewählten Zinssatz ab, da er beide Grössen beeinflusst.

Verschiedene Faktoren erschweren das Führen der Geldpolitik:

  • Die Inflation reagiert erst mit einer gewissen Verzögerung auf Zinsänderungen.
  • Nicht exakt vorhersehbare Ereignisse (sogenannte Schocks) können die Wirtschaft zusätzlich zur Geldpolitik beeinflussen.
  • Zwischen niedriger Inflation und einer ausgewogenen Konjunkturentwicklung können Zielkonflikte entstehen, sodass die Zentralbank zwischen verschiedenen Prioritäten abwägen muss.