Fehler machen erfolgreich
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Fehler machen erfolgreich
Friday, 27. September 2013

Beharrlichkeit, Leidenschaft und Selbstkontrolle entscheiden über Erfolg und Misserfolg. Und: Kids aus reichen Familien leiden an einem Mangel an Stress, so Paul Tough in seinem Buch «How Children Succeed».

Bild: www.amazon.de

Man nehme ein paar Kinder aus armen Familien, setze sie auf die Schulbank und füttere sie mit mathematischen Formeln, englischer Grammatik und griechischer Mythologie. So sieht gemeinhin ein Rezept zur Förderung von Kindern aus unterprivilegierten Familien aus, mit dem Ziel die extreme Einkommensungleichheit in den USA zu reduzieren.

Dieses Rezept basiert auf der Annahme, dass alleine die kognitiven Fähigkeiten über den späteren Erfolg und das Gelingen des Lebens entscheiden. «Falsch», sagt der kanadisch-amerikanische Wissenschaftler und Pädagoge Paul Tough in seinem 2012 erschienen Buch «How children succeed».

Mindestens ebenso entscheidend sind die nicht-kognitiven Fähigkeiten, schreibt Tough. Charaktereigenschaften wie Neugierde, Selbstkontrolle und Stehvermögen entscheiden mehr über Erfolg und Misserfolg als bis anhin angenommen wurde.

Wie entwickeln sich diese nicht-kognitiven Fähigkeiten? Zuerst die frohe Botschaft: Die nicht-kognitiven Fähigkeiten sind zu einem hohen Grad lehr- und lernbar – selbst im Erwachsenenalter.

Jedoch läuft der grösste Teil der Entwicklung von Fähigkeiten wie Durchhaltevermögen und Selbstkontrolle bereits vor der Kindergartenzeit ab, insbesondere in den ersten zwei Lebensjahren. In dieser Zeit reagiert das Gehirn besonders sensibel auf Reize aus der Umwelt.

Kinder aus armen Familien sind in dieser Zeit häufig grossem Stress ausgesetzt: Geldprobleme der Eltern, Arbeitslosigkeit und Gewalt sind nur einige Beispiele. Ein Übermass an Stress führt zu neurochemischen Reaktionen und beeinträchtigt sowohl die kognitiven, als auch die non-kognitiven Bereiche des Gehirns.

Derjenige Bereich des Hirns der am meisten beinträchtig wird, ist der präfrontale Cortex. Dieser ist u. a. verantwortlich für die Selbstregulierung. Kinder die in eine stressintensiven Umfeld aufwachsen, haben folglich mehr Mühe sich zu konzentrieren, ruhig zu sitzen und Schwierigkeiten nach Enttäuschungen wieder auf die Beine zu kommen.

Dies wirkt sich direkt auf die Leistung in der Schule aus. Wenn Kinder ständig von unkontrollierbaren Impulsen heimgesucht werden, fällt es ihnen schwer griechische Mythologie oder englische Grammatik zu pauken.

Ein fürsorglicher und zugänglicher Erziehungsstil könnte diesen Kindern helfen. Doch dafür bleibt ihren Eltern meist keine Zeit – sind sie doch schon zu genüge damit beschäftigt, ihre Familie irgendwie über Wasser zu halten.

Wer in ein solches Umfeld hineingeboren wird, startet mit schlechteren Chancen ins Leben. Einige Ökonomen wie der Nobelpreisträger James Heckmann plädieren daher für eine frühkindliche Förderung, die darauf abzielt, Kindern ein möglichst förderliches familiäres Umfeld zu ermöglichen. Gemäss Heckmann hätten diese frühkindlichen Investitionen das grösste Potential, Ungleichheit effizient zu bekämpfen.

Es wäre allerdings falsch, daraus den Schluss zu ziehen, dass Kinder aus reichen Familien im Erwachsenenalter unabwendbar erfolgreicher und glücklicher sind. Diese Kinder sind zwar meist deutlich weniger Stress ausgesetzt – doch ironischerweise wird ihnen genau dies wieder zum Verhängnis: Menschen die in ihrer Kindheit zu wenig Stress ausgesetzt waren, sind gemäss Studien im späteren Leben weniger erfolgreich und weniger glücklich.

Zwar zeigen Kinder aus behüteten Familien zu Beginn der schulischen Laufbahn gute Leistungen. Sobald aber die Anforderungen mit Ende der Teenagerjahre zunehmen und ein gewisses Mass an Selbstorganisation und Durchhaltevermögen gefragt ist, nimmt ihre Leistung markant ab.

Gemäss Paul Tough hat dies damit zu tun, dass ein moderates Mass an Stress bzw. Herausforderungen förderlich für die Entwicklung der nicht-kognitiven Fähigkeiten ist. Er spricht vor allem von «Grit», was übersetzt so viel bedeutet wie Ausdauer oder Durchhaltevermögen. Und diese Charaktereigenschaft bildet sich vor allem durch die Erfahrung des «Scheiterns».

Kinder müssen lernen, dass man Fehler machen darf, wie man damit umgeht und dass die Welt deshalb nicht untergeht. Reiche Eltern sind oftmals zu beschützerisch – Tough nennt sie auch «Helikopter-Eltern» – und nehmen dadurch dem Kind diese essentielle Erfahrung, Fehler zu machen. Kommt dazu, dass solche Eltern oftmals einen exzessiven Leistungsdruck auf ihre Kinder ausüben.

Paul Tough spricht von einem «Adversity Gap», was so viel bedeutet wie Stresslücke: Während Kinder aus armen Familien an einem Übermass an Stress leiden, büssen Kinder aus reichen Familien später für den Mangel an Stress ein.

Übrigens, wie viel «Grit» besitzen Sie? Falls sie neugierig sind, finden Sie hier einen kurzen Test der «University of Pennsylvania».

Das Buch «How Children Succeed» ist nun auch im Klett-Cotta Verlag in deutscher Sprache erschienen: «Die Chancen unserer Kinder».

Lesen Sie auch: Mittel gegen Ungleichheit? oder Die Gatsby-Kurve

Zum Thema:

Für das iconomix-Team
Patrick Keller

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Kommentare

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Sandro Galli - Gut herausgepickt

Sehr viele Erkenntnisse kann ich tagtäglich bei Mitstudenten betrachten. Ein wahrlich herausragender Artikel! Bitte weiter so.

28.11.2013