Factfulness: Plädoyer für eine faktenbasierte Sicht auf die Welt

Die Welt ist besser, als wir glauben – doch manchmal wird unser Denken von Fehlvorstellungen bestimmt. In seinem Buch «Factfulness» zeigt der Gesundheitsforscher und Statistiker Hans Rosling, warum wir die Realität oft dramatischer sehen, als sie ist, und wie fundierte Fakten helfen können, eine realitätsnähere Sicht auf den Zustand der Welt zu gewinnen. 

Hat sich der Anteil der Weltbevölkerung, der in extremer Armut lebt, in den zurückliegenden 20 Jahren verdoppelt, nicht verändert, oder deutlich mehr als halbiert? Richtig ist Letzteres. Jedoch beantworteten nur 7% der Tausenden von Befragten die Frage korrekt – und das unabhängig von ihrem Bildungsstand. Mit einem Selbsttest mit 13 solcher Fragen beginnt Rosling sein Buch und zeigt den Lesenden damit auf, wie verzerrt ihre Wahrnehmung ist. 

Warum liegen wir derartig falsch?

Den Grund für unsere systematisch fehlerhafte Wahrnehmung sieht Rosling in zahlreichen Denkfehlern, die uns tagtäglich passieren. Manchen Denkfehlern liegt ein veraltetes Weltbild zugrunde: Es beschreibt die Welt, wie sie in den 1960er Jahren war. Warum wir inzwischen unser Weltbild nicht den neueren Entwicklungen angepasst haben, liegt dem Autor nach daran, dass positive Entwicklungen meist stetig und in kleinen Schritten passieren, während negative Ereignisse dramatisch und auf einen Schlag eintreten. 

Andere Denkfehler haben ihren Ursprung in der Biologie: Unser Gehirn ist noch immer darauf ausgelegt, negativen Neuigkeiten im Vergleich mit Positiven mehr Aufmerksamkeit zu schenken: nur so konnten unsere Vorfahren überleben. Folglich eignen sich negative Entwicklungen besser für News-Beiträge und dominieren daher unsere Wahrnehmung. 

Eine faktenbasierte Weltsicht

Als Heilmittel präsentiert Rosling in seinem Buch, das sein Sohn Ola Rosling und dessen Frau Anna Rosling Rönnlund nach seinem Tod zu Ende geschrieben haben, zahlreiche Diagramme, Kurven und Statistiken. Sie zeigen, dass die Fakten ein deutlich positiveres Bild der Welt zeichnen. 

Darüber hinaus enthält das Buch Fotos von Schlafzimmern, Kochstellen und Transportmitteln aus allen Einkommensschichten. Die Fotos helfen, die abstrakten Graphen und Zahlen lebendig werden zu lassen und zeigen beispielsweise, dass die übliche Einteilung in Entwicklungs- und Industrieländer veraltet ist und die Realität nur unzulänglich beschreibt. 

Die Denkfehler

Der Hauptteil des Buches befasst sich dann mit den wichtigsten Denkfehlern, die zwischen uns und einem faktenbasierten Weltbild stehen. Beispielsweise sei der Grund für die irreführende Einteilung in Entwicklungs- und Industrieländer der «Instinkt der Kluft». Dieser beschreibt den Trugschluss, dass die Welt «in zwei Hälften geteilt» ist.

Während diese Einteilung im Jahre 1965 durchaus den Fakten entsprach, ist sie heute nicht mehr zeitgemäss. Die Länder haben sich global angenähert und Rosling schlägt eine neue Einteilung vor, die eine feinere, differenziertere Sichtweise erlaubt. 

Corona-Krise und geopolitische Spannungen

Das Buch ist im April 2018 erschienen und wurde zum Weltbestseller. Die Entwicklung der Welt hat in der Zwischenzeit jedoch einige Rückschläge hinnehmen müssen. Die Corona-Krise traf insbesondere Menschen am unteren Ende der globalen Einkommensskala hart und neu entfachte militärische Konflikte trüben das Bild weiter ein. 

Nichtsdestotrotz haben die grundsätzlichen Aussagen des Buches weiterhin Bestand und helfen, Denkfehler besser zu erkennen und auf der Basis eines faktenbasierten Weltbilds bessere Entscheidungen zu treffen.  

Hans Rosling

Nach seinem Studium der Medizin und Statistik arbeitete Hans Rosling (1948 – 2017) zunächst als Arzt in Afrika, später als Berater für NGOs und die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Zuletzt leitete er die renommierte Medizin-Hochschule Karolinska Institutet bei Stockholm. 

Gemeinsam mit seinem Sohn Ola und seiner Schwiegertochter Anna gründete der Schwede die Stiftung «Gapminder», deren Website Statistiken verständlich und interaktiv aufbereitet. 

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